Friedrich Merz im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt

German Chancellor Merz receives certificate of appointment from German President Steinmeier
Merz hatte im ersten Wahlgang die erforderliche "Kanzlermehrheit" verpasst. Erst beim zweiten Durchgang wurde er gewählt - und später zum Kanzler ernannt.
  • Friedrich Merz wurde im zweiten Wahlgang zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
  • Im ersten Wahlgang verfehlte Merz die notwendige Kanzlermehrheit von 316 Stimmen.
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Merz am Dienstagnachmittag die Ernennungsurkunde überreicht, womit die Amtsgewalt als Kanzler auf Merz überging.

Nun also doch: Am Dienstagnachmittag ist  Friedrich Merz im Bundestag zum 10. Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden - im zweiten Anlauf. 325 Abgeordnete stimmten in geheimer Abstimmung für den CDU-Chef. 289 Abgeordnete stimmten mit Nein.

"Ich bedanke mich für das Vertrauen, und ich nehme die Wahl an", sagte Merz nach Standing Ovations auf eine entsprechende Frage von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner.

Election of a new German Chancellor, in Berlin

Der bisherige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratuliert Friedrich Merz nach dem zweiten Wahlgang.

Zweiter Wahlgang noch am Dienstag

Alle Fraktionen hatten zuvor zugestimmt, den zweiten Wahlgang noch am Dienstag durchzuführen. Dafür war eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag nötig. Nach dem Erfolg im zweiten Wahlgang wurde Merz schließlich am späten Dienstagnachmittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Deutschen Kanzler ernannt.

Er überreichte ihm am Dienstagnachmittag auf Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde, womit die Amtsgewalt als Kanzler auf Merz überging

Kanzlermehrheit im ersten Wahlgang verfehlt

Noch am Dienstagvormittag hatte der 69-Jährige die notwendige "Kanzlermehrheit" von 316 Stimmen verfehlt. Merz hatte nur 310 von 621 abgegebenen Stimmen erhalten - und damit 6 weniger als nötig.

Von insgesamt 630 Abgeordneten hatten 9 nicht abgestimmt und 307 mit Nein gestimmt. Drei Parlamentarier hatten sich enthalten, eine Stimme war ungültig. Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis verlas, zeigte der designierte Kanzler Merz kaum eine Regung: versteinerte Gesichtszüge, der Kiefer fest, der Blick geradeaus.

Novum in der Geschichte der Bundesrepublik

Es war in dieser Form ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: Noch nie war ein designierter Bundeskanzler im ersten Wahlgang gescheitert. 

Merz hätte im ersten Wahlgang eigentlich mit 328 Stimmen rechnen können, also 12 mehr als er unbedingt braucht. Alle Abgeordneten von Union (208) und SPD (120) waren anwesend. Das bedeutet, dass mindestens 18 Abgeordnete nicht für Merz im ersten Wahlgang gestimmt haben, vielleicht auch mehr. Theoretisch könnten ja auch Oppositionspolitiker ihre Stimme für Merz abgegeben haben. 

SPD: Vorbehalte gegen Merz 

Nachdem die Bundestagssitzung am Vormittag unterbrochen wurde und die Fraktionen über das weitere Vorgehen beraten haben, begannen hinter vorgehaltener Hand die Schuldzuweisungen. In der Union werde vermutet, dass die fehlenden Stimmen aus der SPD gekommen seien, sagte eine Quelle zu Reuters

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil versicherte hingegen sofort, er habe "nicht den geringsten Hinweis, dass die SPD nicht vollständig gestanden hat“. Sicher kann er sich letztlich aber nicht sein - die Wahl war schließlich geheim. 

GERMANY-POLITICS-PARLIAMENT-ELECTION-CHANCELLOR

Freude bei Alice Weidel: Die AfD forderte am Dienstag sofort eine Neuwahl des Bundestags.

Glaubwürdigkeitsproblem für Merz?

Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sah nach dem ersten Scheitern der Kanzlerwahl einen Dämpfer für Schwarz-Rot. Merz habe nun ein Glaubwürdigkeitsproblem, sagte Korte dem Fernsehsender Phoenix. "Die Startmöglichkeiten für ihn, mit vielleicht auch Zauber des Anfangs daherzukommen, die sind verpufft.“ 

Zugleich sei aber ein solides Regieren auch nach einer Kanzlerwahl im zweiten oder einem dritten Wahlgang möglich, machte Korte deutlich. 

Election of a new German Chancellor, in Berlin

Auf der Besuchertribüne: Charlotte Merz mit den Töchtern Carola und Constanze.

Einen dritten Anlauf brauchte es letztlich nicht. Am späten Nachmittag war klar: Dem Regierungswechsel in Deutschland steht auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition aber nichts mehr im Wege.

Im Bundestag wird Merz noch am Dienstag seinen Amtseid sprechen. Auch die Vereidigung der 17 Bundesministerinnen und Bundesminister soll noch heute stattfinden.

10 Männer, 8 Frauen im neuen Kabinett

Dem Kabinett gehören zehn Männer und acht Frauen an. CDU und SPD stellen jeweils sieben Minister und Ministerinnen, die CSU drei. Vizekanzler und damit zweitmächtigster Mann im Kabinett nach Merz ist der künftige Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). Der Erfolg der Regierung wird maßgeblich davon abhängen, wie die beiden sich verstehen. In den Koalitionsverhandlungen hat das ganz gut geklappt.

Stocker und von der Leyen gratulieren umgehend

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) gratulierte Merz umgehend auf der Plattform X. "Eine gemeinsame Grenze bedeutet auch gemeinsame Verantwortung - ich freue mich auf eine freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen uns und unseren Regierungen."

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte Merz zur Wahl zum Bundeskanzler. "Ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit", schrieb von der Leyen am Dienstag im Onlinedienst Bluesky. "Wir werden uns gemeinsam für ein starkes und wettbewerbsfähigeres Europa einsetzen."

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