Merkel: "Bin Österreich nicht dankbar"

Partei-Rivale Seehofer nutzt Gelegenheit zur Provokation; Mitterlehner am Mittwoch in Berlin.

"Dankbarkeit ist keine politische Kategorie" - die derzeitigen Reaktionen aus Deutschland auf die neue österreichische Asyl-Linie scheint dem Bonmot von Bruno Kreisky zu widersprechen. Denn nach dem EU-Türkei-Gipfel zur Flüchtlingskrise wird mit "Dankbarkeit" politisches Kleingeld gewechselt: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel verteidigte einen Tag nach der Tagung die gefassten Beschlüsse im Interview mit dem Südwestrundfunk. EU und Türkei seien "einen wichtigen Schritt vorangekommen".

Kritik übte Merkel einmal mehr an Österreich und seinen Alleingängen: "Ich bin Österreich nicht dankbar. Ich fand es nicht glücklich, dass einseitige Entscheidungen getroffen wurden". Das habe "zu einer Belastung Griechenlands" geführt, wo sich inzwischen viele tausend Flüchtlinge stauen.

Der Vorsitzende der Schwesterpartei CSU, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, hat Österreich hingegen am Dienstag "ausdrücklich" gedankt. "Wir unterstützen Österreich bei seiner neuen Flüchtlingspolitik", betonte Seehofer nach einem Treffen mit Tirols LH Günther Platter in München. Denn schließlich liege es nur an Österreich und den Balkanländern, dass weniger Flüchtlinge kommen, meinte Seehofer. Diese Tatsache sei "nicht auf die Politik der deutschen Regierung zurückzuführen". Die Politik Österreichs sei eine "wirksame Maßnahme" der Begrenzung. Zudem zwinge sie, Europa zu handeln. Seehofer gab ferner zu bedenken, dass dies "eindeutig humaner" sei, als Hoffnungen auszulösen, die niemand erfüllen könne.

Auch Platter wies Kritik an Österreichs Regierung zurück. Immerhin habe man hierzulande im vergangenen Jahr 90.000 Flüchtlinge aufgenommen. "Das kann sich dieses Jahr nicht wiederholen", bemängelte Platter.

Mitterlehner will sich abstimmen

Um die Wogen zu glätten, will Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Mittwoch nach Berlin reisen, um Merkel zu treffen. "Wir brauchen eine gute Gesprächsbasis und Abstimmung mit Deutschland, um die Herausforderungen der Flüchtlingskrise zu bewältigen", sagte Mitterlehner, der insbesondere den Stand und die weitere Vorgehensweise in Richtung europäischer Lösung des Themas besprechen will, gegenüber der APA.

Die Türkei hatte auf dem Gipfel angeboten, ab einem bestimmten Zeitpunkt alle neu ankommenden Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Für jeden Syrer, den Ankara zurücknimmt, soll die EU einen der 2,7 Millionen Syrer aufnehmen, die schon in der Türkei leben. Im Gegenzug will die Türkei Finanzhilfen und Visaerleichterungen. Die angepeilte Aufstockung der Finanzhilfen für die Türkei erklärte Merkel im SWR für vertretbar. Manchmal könne die Lösungsfindung auf EU-Ebene zwar schneller gehen, "aber insgesamt bewegt sich die Sache in die richtige Richtung", meinte Merkel.

Erklärung der EU-Mandatare

Froh über die erzielten Fortschritte des Gipfels sind die österreichischen Delegationsleiter im EU-Parlament. Othmar Karas (ÖVP), Evelyn Regner (SPÖ), Ulrike Lunacek (Grüne) und Angelika Mlinar (NEOS) veröffentlichten am Dienstag eine gemeinsame Erklärung dazu. "Die gestern erreichte Grundsatzeinigung ist ein wichtiger Schritt für einen legalen und sicheren Zugang für Flüchtlinge. Damit soll das Grenzmanagement geordnet, die Außengrenzen besser geschützt und Griechenland entlastet werden", heißt es darin.

Bei der Kritik am Vorgehen der österreichischen Bundesregierung sind die EU-Abgeordneten ganz bei Merkel: "Nationale Alleingänge verschärfen den Effekt, den wir am wenigsten brauchen: die Entsolidarisierung in der EU. Länder, die unsolidarisch vorpreschen, können keine Solidarität von den anderen einfordern, erschweren gemeinsame europäische Lösungen und blockieren die Wahrnehmung der europäischen Verantwortung."

Kommentare