Merkel bei Putin: Keine Liebesgrüße aus Sotschi

Breitbeinigkeit trifft Schmallippigkeit: Putin und Merkel verstehen einander sprachlich bestens – inhaltlich hat es diesmal ziemlich gehakt
Ein Treffen voller Differenzen: Zwischen Merkel bei Putin gab es keine Annäherung bei Ukraine, Syrien, Sanktionen.

"Es ist mühselig. Wir machen wenig Fortschritte."

Die Worte, mit denen Angela Merkel am Dienstag die Entwicklungen in der Ukraine beschreibt, könnten auch für das Treffen zwischen ihr und Wladimir Putin selbst gelten. Die beiden kennen einander seit Jahren, sprechen die Sprache des jeweils anderen fließend, doch bei der Pressekonferenz nach ihrem Treffen merkt man von dieser Vertrautheit nichts. "Sehr ausführlich" seien die Gespräche in Putins Sommerresidenz in Sotschi gewesen, sagt die deutsche Kanzlerin; der Kremlchef nennt die Unterredung "sachlich". Begeisterung hört sich anders an – und Annäherung auch.

In allen Konfliktpunkten, die die beiden trennen, bleiben die Gräben tief – in puncto Ukraine kommt man höflich überein, dass man "unterschiedlicher Meinung bezüglich der Ursachen des Konflikts" sei, wie Merkel sagt. Putin ist da schon emotionaler: "Keiner hat jemandem etwas weggenommen", sagt er zum Vorwurf, russische Streitkräfte hätten die Ostukraine faktisch bereits separiert. Ähnlich verhärtet sind die Fronten bei den Sanktionen: Während Putin lang und breit erklärt, wie wichtig die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern seien, bleibt Merkel stur; und auch in Syrien ist eine Annäherung in weiter Ferne. Merkels Drängen nach sicheren Zonen erteilt der Kremlchef eine Absage; sein Wille bleibe, "eine Lösung mit dem syrischen Volk zu finden", sagt er.

"Nützliche" Merkel

Es mag Zufall sein, dass die Fahnen, die hinter beiden hängen, anders verteilt sind als bei Merkels letztem Besuch vor zwei Jahren. Zwei Mal Deutschland, zwei Mal EU, viermal Russland hängt da, Russlands Stärke hat sich seither quasi verdoppelt. Doch auch ohne diese Spitze ist die Rollenverteilung klar: Schon im Vorfeld kommentierten russische Medien wie die Nezawisimaja Gazeta, dass Putin gegenüber Merkel Stärke demonstrieren wolle – er sehe sie gar als "nützliche Politikerin" an.

Dementsprechend forsch gibt er sich auch, als er gefragt wird, wieso Russland so hart gegen Regierungsgegner vorgehe. "Die Rechtsschutzorgane Russlands sind viel zurückhaltender als in europäischen Staaten", sagt Putin; und beim Thema Wahlmanipulationen gibt er sich ebenso angriffig. "Durch nichts und keinen ist das bestätigt. Wir mischen uns nie in das politische Leben anderer Staaten ein."

Merkel, die auch mit einer russischen Einmischung im deutschen Wahlkampf konfrontiert ist, reagiert um einiges gelassener. Wenn man wieder mit Fehlinformationen zu tun habe, werde man dagegen vorgehen; "aber ich gehe davon, dass wir den Wahlkampf unbeschadet machen können", sagt sie, gefolgt von einem "ich gehöre nicht zu den ängstlichen Menschen". Es ist der einzige Moment, bei der ihr ein Grinsen über die Lippen huscht.

Der Spitzendiplomat Martin Sajdik ist OSZE-Sonderbotschafter für die Ukraine. Er koordiniert Verhandlungen der trilateralen Kontaktgruppe (Russland, Ukraine, OSZE-Vorsitz) in Minsk. Dazu kommen Vertreter der Regionen Donezk und Lugansk (Separatistengebiete). Der KURIER befragte Sajdik über

- das Treffen Merkels mit Putin in Sotschi Die Kanzlerin hat das Minsker Abkommen selbst im Februar 2015 verhandelt. Sie ist eine treibende Kraft für die Konfliktlösung.

- Österreichs Beitrag als OSZE-Vorsitzland in der Ost-Ukraine Humanitäre Fragen, der Schutz der Zivilbevölkerung, der Infrastruktur und der Übergänge sind zentral. Das schätzen die Menschen. 25.000 Menschen überqueren täglich die Übergänge.

- Fortschritte im Minsker-Prozess Das ist eine Frage der kleinen Schritte. Wichtig ist der Gefangenenaustausch.

- den eingefrorenen Konflikt Ost-Ukraine Der Konflikt ist noch nicht eingefroren. Es gibt noch Kampfhandlungen. Wir vereinbaren immer wieder neue Waffenstillstandsvereinbarungen, Atempausen für die Bevölkerung.

- die Zukunft der Ost-Ukraine "Minsk" will die Integration der Separatistengebiete in die Ukraine. Jetzt bewegen sich die Teile aber auseinander. Von der ukrainischen Seite wurde die Eisenbahnverbindung blockiert, der Transport von Kohle und Erzen ist essenziell. Donezk und Lugansk haben eine externe Verwaltung aller Betriebe eingeführt, was in Koordination mit Moskau passierte. Der Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine stoppte daraufhin alle Transporte, außer humanitäre. Diese Entwicklung ist bitter für die Menschen.

- ukrainische Maßnahmen, den Konflikt zu lösen Alle Seiten könnten viel mehr machen.

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