Merkel bei Luther-Feier: Toleranz ist "Seele Europas"

Angela Merkel anlässlich des 500. Jahrestags
Der 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther wurde in Wittenberg von Spitzenvertretern aus Kirchen, Politik und Gesellschaft Deutschlands begangen.

Feierlicher Höhepunkt und Abschluss des Reformationsjahres: In Wittenberg haben am Dienstag Spitzenvertreter aus Kirchen, Politik und Gesellschaft Deutschlands den 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther gefeiert.

In der Schlosskirche fand am Nachmittag ein Festgottesdienst statt, an dem auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel teilnahmen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, würdigte den Beginn der Reformation als "Akt der Befreiung".

Luthers Thesenanschlag sei eine Befreiung für ihn persönlich, für die Kirche und für die Welt gewesen, sagte Bedford-Strohm in seiner Predigt. "Und nun sitzen wir hier, 500 Jahre später, als Menschen in einem Land, das ebenfalls mit sich ringt."

"Manche moralisch überfordert"

Deutschland sei "so gesegnet wie nie zuvor", sagte Bedford-Strohm. Es sei aber auch ein Land, "in dem sich manche moralisch überfordert fühlen" und "Angst haben, ihre gewohnte Welt zu verlieren, ihre Sicherheit zu verlieren", fügte er mit Blick auf die aktuelle politische Lage hinzu.

Die reformatorische Botschaft werde daher dringend gebraucht. "Was dieses Land braucht, ist eine neue innere Freiheit, eine Kraft, die die Angst überwindet und die Liebe stärkt", sagte der EKD-Ratsvorsitzende.

Merkel betonte Meinungsvielfalt

Auch Bundeskanzlerin Merkel unterstrich zum 500. Reformationsjubiläum die Bedeutung von Meinungsvielfalt und Toleranz in ganz Europa. Toleranz sei "die Seele Europas" und "das Grundprinzip jeder offenen Gesellschaft", sagte die CDU-Vorsitzende.

Da die Anerkennung von religiöser und kultureller Vielfalt in einer globalisierten Welt für viele Menschen zunehmend zur Herausforderung werde, müsse ihre Bedeutung umso stärker herausgestellt werden. "Auch heute erleben wir, dass auf der Welt überall dort, wo es mit Religionsfreiheit schlecht bestellt ist, auch die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt Schaden nimmt."

Auch mit Blick auf die zahlreichen innereuropäischen Konflikte, die der Thesenanschlag des Theologen Martin Luther am 31. Oktober 1517 mit sich brachte, sagte die Kanzlerin: "Wer die Vielfalt bejaht, muss Toleranz üben - das ist die historische Erfahrung unseres Kontinents. Mühevoll wurde gelernt, dass die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben in Europa die Toleranz ist." Selbst wenn Glaubensüberzeugungen den eigenen Ansichten widersprächen, gelte es anzuerkennen, dass sie "für andere von zentraler Bedeutung sind".

Bedford-Strohm dankte dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, für Mut und Geschwisterlichkeit im Reformationsjahr. Er dankte zudem Papst Franziskus für seine "Zeichen der Versöhnung zwischen den Kirchen". Franziskus hatte vor einem Jahr in der südschwedischen Universitätsstadt Lund am Auftakt des Reformationsjahres mit Spitzenvertretern des Lutherischen Weltbundes (LWB) teilgenommen.

Der Vatikan und der Lutherische Weltbund baten in einer gemeinsamen Erklärung zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags um Vergebung für die Gewalttaten der Vergangenheit. Zugleich lobten sie die Ergebnisse der Ökumene in den vergangenen 50 Jahren, es seien dadurch "Vorurteile beseitigt" und theologische Übereinstimmungen herausgearbeitet worden.

95 Thesen

Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther der Überlieferung nach 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg, mit denen er den Ablasshandel und andere Missstände in der katholischen Kirche anprangerte. Es war der Anstoß für die kirchliche Erneuerungsbewegung, die Reformation.

Der diesjährige Reformationstag stand ganz im Zeichen des 500. Reformationsjubiläums und war ausnahmsweise ein deutschlandweiter Feiertag. Er bildete den Abschluss der einjährigen Jubiläumsfeierlichkeiten.

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