Pfiffe für Merkel: "Man liebt sie und man hasst sie"
Dass es im Osten leicht wird, hat in der CDU keiner geglaubt. Auch nicht für Angela Merkel, denn das mit dem Heimvorteil, das stimmt hier nicht mehr: „ Merkel muss weg“, tönt es über den Neustädtischen Markt in Brandenburg an der Havel, einer 70.000-Einwohner-Stadt, als die deutsche Kanzlerin die Bühne betritt.
„Das ist der tiefste Osten“, sagt Ron. Er ist einer von gut 1500 Menschen, die heute hergekommen sind, um „Merkel zu schauen“; er ist Flüchtlingshelfer und hat Besher (22) und Mowayad (25) im Schlepptau. Beide sprechen sehr gut Deutsch, sind aus Syrien geflohen; in ihren Händen Merkel-Schilder. „Sie arbeitet für ihr Heimatland, das gefällt mir“, sagt Besher. Ron grinst, sieht zu dem Pulk an Pfeifern nebenan und sagt: „Man liebt sie und man hasst sie“. Dabei hält er sich die Ohren zu, das Pfeifkonzert der Merkel-Gegner ein paar Meter weiter übertönt die gesamte Wahlveranstaltung.
Wie viele Menschen dort stehen, ist schwer zu sagen; vielleicht 50, vielleicht 100. „Ethnozid an den Deutschen stoppen“ steht auf ihren Schildern, „Merkel muss weg“ läuft sowieso in Dauerschleife. Kontrapunkte zu den vielen schwarz-rot-goldenen Schildern, auf denen „Ich bin muttiviert“ oder nur „Angela Merkel“ steht, seien die Störer, sagt CDU-Bürgermeisterin Dietlind Tiemann, doch ob das stimmt, man weiß es nicht so genau.
Die AfD ist jedenfalls vor Merkels Auftritt mit einem eigenen Bus vorgefahren, Volksmusik dröhnte da aus den Lautsprechern; die NPD ebenso, sie hat sich sogar in das Hotel einquartiert, in dem Merkel kurz vor ihrer Rede abgestiegen ist.
Wer ist lauter - oder geht es um Inhalte? Auch zum #Merkel-Auftritt in #Brandenburg rückt die #AfD an. Mit Volksmusik. #btw17 @welt pic.twitter.com/Of9ZPqB0RO
— Martin Heller (@Ma_Heller) 29. August 2017
„Demokratie ist das nicht“
Dass damit die Fronten geklärt wären, kann man so aber nicht sagen. Viele hier wollen weder zu den einen noch zu den anderen gehören, nicht zu den Pfeifern, nicht zu den Klatschern. Jörg Riszling etwa, mittleres Alter, braungebrannt, Radhelm auf dem Kopf. „Demokratie ist das nicht. Aber es ist das Ergebnis der Politik von CDU und SPD“, sagt er.
Wie auf Befehl setzt Angela Merkel dann an, sie spricht davon, dass erst durch Arbeitsplätze Gerechtigkeit geschaffen wird, ihr Anti-Schulz-Mantra quasi. Wer sie schon länger beobachtet, kennt diese Sätze auswendig, für viele hier scheinen sie auch nicht neu. Geklatscht wird trotzdem, und sei es nur, um die Störer zu übertönen - was aber kaum gelingt.
Und Merkel, die macht ohnehin alles wie immer. Sie lächelt, gestikuliert, ruht so gut es geht in sich; sie macht das, was sie am besten kann: alles an sich abprallen lassen. Bei ihrer Rede, da geht sie so gut wie gar nicht auf den Pulk an Pfeifern ein. Erst am Ende, kurz vor der Nationalhymne, hält sie inne: „Einigkeit und Recht und Freiheit - und Respekt vor der Vielfalt. Das sind wir Deutschen“, sagt sie da in Richtung Anti-Merkel-Trupp.
Der quittiert das mit einem lauten Pfeifen. So laut, dass selbst die Nationalhymne darin untergeht.
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