Pfiffe für Merkel: "Man liebt sie und man hasst sie"

 Anti-Merkel-Demo: In mehreren ostdeutschen Städten wurde sie ausgepfiffen 
Heimvorteil? Nicht für Angela Merkel. Auf Wahlkampftour im Osten wird sie wird ausgepfiffen, angebrüllt, bepöbelt.

Dass es im Osten leicht wird, hat in der CDU keiner geglaubt. Auch nicht für Angela Merkel, denn das mit dem Heimvorteil, das stimmt hier nicht mehr: „ Merkel muss weg“, tönt es über den Neustädtischen Markt in Brandenburg an der Havel, einer 70.000-Einwohner-Stadt, als die deutsche Kanzlerin die Bühne betritt.

„Das ist der tiefste Osten“, sagt Ron. Er ist einer von gut 1500 Menschen, die heute hergekommen sind, um „Merkel zu schauen“; er ist Flüchtlingshelfer und hat Besher (22) und Mowayad (25) im Schlepptau. Beide sprechen sehr gut Deutsch, sind aus Syrien geflohen; in ihren Händen Merkel-Schilder. „Sie arbeitet für ihr Heimatland, das gefällt mir“, sagt Besher. Ron grinst, sieht zu dem Pulk an Pfeifern nebenan und sagt: „Man liebt sie und man hasst sie“. Dabei hält er sich die Ohren zu, das Pfeifkonzert der Merkel-Gegner ein paar Meter weiter übertönt die gesamte Wahlveranstaltung.

Pfiffe für Merkel: "Man liebt sie und man hasst sie"
Supporters of German Chancellor Angela Merkel, top candidate for the upcoming general elections of the Christian Democratic Union party (CDU), attend an election campaign rally in Bitterfeld-Wolfen, Germany, August 29, 2017. REUTERS/Hannibal Hanschke

Wie viele Menschen dort stehen, ist schwer zu sagen; vielleicht 50, vielleicht 100. „Ethnozid an den Deutschen stoppen“ steht auf ihren Schildern, „Merkel muss weg“ läuft sowieso in Dauerschleife. Kontrapunkte zu den vielen schwarz-rot-goldenen Schildern, auf denen „Ich bin muttiviert“ oder nur „Angela Merkel“ steht, seien die Störer, sagt CDU-Bürgermeisterin Dietlind Tiemann, doch ob das stimmt, man weiß es nicht so genau.

Die AfD ist jedenfalls vor Merkels Auftritt mit einem eigenen Bus vorgefahren, Volksmusik dröhnte da aus den Lautsprechern; die NPD ebenso, sie hat sich sogar in das Hotel einquartiert, in dem Merkel kurz vor ihrer Rede abgestiegen ist.

Wer ist lauter - oder geht es um Inhalte? Auch zum #Merkel-Auftritt in #Brandenburg rückt die #AfD an. Mit Volksmusik. #btw17 @welt pic.twitter.com/Of9ZPqB0RO

Martin Heller (@Ma_Heller) 29. August 2017

„Demokratie ist das nicht“

Dass damit die Fronten geklärt wären, kann man so aber nicht sagen. Viele hier wollen weder zu den einen noch zu den anderen gehören, nicht zu den Pfeifern, nicht zu den Klatschern. Jörg Riszling etwa, mittleres Alter, braungebrannt, Radhelm auf dem Kopf. „Demokratie ist das nicht. Aber es ist das Ergebnis der Politik von CDU und SPD“, sagt er.

Pfiffe für Merkel: "Man liebt sie und man hasst sie"
German Chancellor Angela Merkel, top candidate for the upcoming general elections of the Christian Democratic Union party (CDU), greets supporters during an election campaign rally in Bitterfeld-Wolfen, Germany, August 29, 2017. REUTERS/Hannibal Hanschke

Wie auf Befehl setzt Angela Merkel dann an, sie spricht davon, dass erst durch Arbeitsplätze Gerechtigkeit geschaffen wird, ihr Anti-Schulz-Mantra quasi. Wer sie schon länger beobachtet, kennt diese Sätze auswendig, für viele hier scheinen sie auch nicht neu. Geklatscht wird trotzdem, und sei es nur, um die Störer zu übertönen - was aber kaum gelingt.

Und Merkel, die macht ohnehin alles wie immer. Sie lächelt, gestikuliert, ruht so gut es geht in sich; sie macht das, was sie am besten kann: alles an sich abprallen lassen. Bei ihrer Rede, da geht sie so gut wie gar nicht auf den Pulk an Pfeifern ein. Erst am Ende, kurz vor der Nationalhymne, hält sie inne: „Einigkeit und Recht und Freiheit - und Respekt vor der Vielfalt. Das sind wir Deutschen“, sagt sie da in Richtung Anti-Merkel-Trupp.

Der quittiert das mit einem lauten Pfeifen. So laut, dass selbst die Nationalhymne darin untergeht.

Pfiffe für Merkel: "Man liebt sie und man hasst sie"
Pfiffe für Merkel: "Man liebt sie und man hasst sie"
A supporter of the right-wing populist Alternative for Germany (AfD) holds up a placard which reads "All power goes out from the people. When for us?" as German Chancellor Angela Merkel addresses an election campaign rally of the Christian Democratic Union (CDU) in Bitterfeld, eastern Germany on August 29, 2017, less than a month before the September 24th general election. / AFP PHOTO / Odd ANDERSEN
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