Mehlwürmer im Brot? Was hinter der Empörung über ein EU-Gesetz steckt

Mehlwürmer im Brot? Was hinter der Empörung über ein EU-Gesetz steckt
Eine Verordnung der EU-Kommission, die speziell behandelte Mehlwürmern in Backwaren erlaubt, empört. Dahinter steckt eine Grundsatzdebatte über das Eiweiß der Zukunft.

"Mehlwürmer im Brot", "Mehlwürmer im Kuchen": Eine ganze Reihe österreichischer, deutscher, oder Schweizer Boulevardzeitungen gönnen sich in diesen Tagen zumindest in ihren Online-Ausgaben diese Schlagzeilen. 

Auch Roman Haider, EU-Parlamentarier der FPÖ, wettert gegen die EU-Kommission, "die eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten der Europäer erzwingen möchte - hin zu Laboressen von höchst fragwürdiger Herkunft."

Fragt man bei Agrarexperten in Brüssel nach, erfährt man zu allererst, dass die Aufregung jetzt etwas spät kommt. Mehlwürmer, ebenso wie Hausgrillen, Heuschrecken und ein weiterer Wurm sind in der EU seit Jahren in Lebensmitteln zugelassen - eine entsprechende Kennzeichnung auf der Packung natürlich vorausgesetzt.

UV-Licht für die Würmer

Die sogenannte "Durchführungsverordnung" - also ein Gesetz, dass die EU-Kommission ohne Parlament und Mitgliedsstaaten bestimmen kann - um die es jetzt geht, betrifft tatsächlich nur Mehlwürmer, die mit UV-Strahlung behandelt wurden. Dadurch sollen die mehr Vitamin D produzieren, dass dann, wenn die Würmer einmal gemahlen und in den Brotteig gemischt werden, dem Konsumenten mehr Vitamin-D-Zufuhr verschafft, ein Vitamin, an dem es gerade im Winter vielen Menschen mangelt. Die Zugabe dieses speziellen Mehlwürmer-Mehls darf aber nicht mehr als vier Prozent betragen und sie muss ebenfalls klar auf der Packung ersichtlich sein. Gültig ist diese Genehmigung tatsächlich ab nächster Woche. Beantragt hat sie eine französische Nahrungsmittelfirma namens NutriEarth. "„Die Politik der EU-Kommission wird immer bürgerfeindlicher", empört sich der FPÖ-Abgeordnete, "wenn jetzt sogar schon das Pulver von Mehlwurmlarven als Lebensmittel definiert wird.“

"Wer Insektenburger will..."

Grund genug für ganz sachliche Skepsis gibt es auch für den EU-Agrarexperten der ÖVP, Alexander Bernhuber. Auch er hat im EU-Parlament schon vor längerem seine Einwände gegen die Mehlwürmer vorgebracht: Erstens weil der Gehalt an Vitamin D in dem Produkt sehr unterschiedlich sein kann und außerdem weil Menschen, die gegen Krebse und Krustentiere allergisch sind, auch gegen Mehlwürmer Allergien haben können.

 Zusammen ist das für Bernhuber Grund genug, zu fragen, wo denn der Mehrwert dieses Produktes sei. "Grundsätzlich bin ich nicht gegen die Verwendung von Insekten und wenn jemand seinen Heuschreckenburger essen will, soll das möglich sein", meint er zum KURIER, "aber dann weiß ich auch, was ich esse. Bei einer Semmel, oder einem Wachauer rechne ich nicht damit."

Fleisch aus gezüchteten Zellen

Hinter der Debatte um den Mehlwurm aber steckt Grundsätzlicheres. Seit Jahren gibt es auf EU-Ebene eine Debatte über neuartige Eiweißquellen für unsere Nahrung. Da geht es nicht nur um pulverisierte Insekten, sondern auch um andere Methoden, wie etwa die Züchtung von tierischen Muskel- oder Fettzellen in Bioreaktoren, also in Nährlösungen in großer Menge mit Hilfe von Wachstumshormonen, oder Enzymen. In der Haltung dazu ist Europa gespalten, vor allem Agrarpolitiker aus Österreich, Italien, oder Frankreich wehren sich gegen dieses "Laborfleisch", dass dann die Tierzucht ablösen könnte. Grüne und Umweltschützer wenden ein, dass diese Herstellungsmethoden klimaschonender wären, also weniger Kohlendioxid als die Zuchttiere verbrauchen würden - und natürlich auch sonst weniger Ressourcen. Auch große Lebensmittelkonzerne wie Nestlé oder Danone plädieren in einem gemeinsamen Schreiben an die EU-Kommission, offener mit diesen Eiweißquellen für die Zukunft umzugehen.

Insekten als Futtermittel

Der ÖVP-Agrarier sieht Insekten und andere Proteinquellen in der Zukunft vor allem als Futtermittel in der Tierzucht. Gerade als Futtermittel für Hühner, oder Schweine wäre das eine gute und ebenfalls klimaschonende Alternative zu dem oft aus Übersee importierten Soja. Grundsätzliche Einwände gegen Insekten auch als Nahrungsmittel für Menschen hat Bernhuber nicht: "Ich glaube aber nicht, dass wir in 20 Jahren alle Insekten essen werden." 

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