May-Nachfolge: Wer aller in die Downing Street will

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Das Gerangel um die offizielle Nachfolge von Theresa May hat begonnen. Als Favorit für den Posten des Premiers gilt Boris Johnson.

Einen Tag nach der Rücktrittsankündigung der britischen Premierministerin Theresa May ist das Rennen um ihre Nachfolge bereits voll im Gang. May hatte am Freitag in einer emotionalen Rede in London angekündigt, dass sie ihr Amt als konservative Parteichefin am 7. Juni abgeben wird. Bis Ende Juli soll ein Nachfolger bestimmt werden, dann will sie auch die Regierungsgeschäfte abgeben. Erwartet wird, dass sich bis zu 20 Bewerber dem Auswahlverfahren stellen, offiziell haben erst wenige den Hut in den Ring geworfen. Ein Überblick:

Als Favorit unter den Bewerbern gilt der frühere Außenminister Boris Johnson. Er brachte sich umgehend in Stellung und drohte mit einem EU-Austritt ohne Abkommen. Eine Verlängerung der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus schloss er aus.

Berichten zufolge löste Johnson damit Befürchtungen vor einem Brexit-Wettrüsten aus, bei dem sich die Kandidaten gegenseitig an Kompromisslosigkeit überbieten, um die Austritts-Hardliner an der konservativen Parteibasis auf ihre Seite zu ziehen. Trotz des Gepolters gilt Johnson aber als Pragmatiker, der einen ungeordneten Brexit nicht unbedingt anstrebt. Dafür spricht auch, dass sich die Arbeitsministerin und leidenschaftliche No-Deal-Gegnerin Amber Rudd eine Zusammenarbeit mit ihm vorstellen kann.

Am Samstag erklärte Gesundheitsminister Matt Hancock seine Teilnahme an dem mehrstufigen Auswahlverfahren für den Tory-Parteivorsitz. "Wir brauchen einen Anführer für die Zukunft, nicht nur fürs Erste", schrieb Hancock auf Twitter. Er kündigte an, beim Brexit "liefern" zu wollen. Dann müsse das Land auch bei anderen Dingen "vorankommen" und sich eine "strahlende Zukunft" aufbauen.

Kaum einen Zweifel gibt es aber daran, dass zum Beispiel Umweltminister Michael Gove antreten wird. Er ist bestens vernetzt, nicht nur im britischen Parlament, sondern auch bei den Mächtigen in der Welt der Medien. Obwohl Gove zu den Frontmännern der Brexit-Kampagne im Wahlkampf vor dem Referendum gehörte, gilt auch er als einer, der sein Fähnlein nach dem Wind hängt.

Dominic Raab

Dominic Raab

Anders ist das bei dem früheren Brexit-Minister Dominic Raab. Er ist geradezu als ideologisch verschrieen. Einen No-Deal-Brexit dürfte er ohne Zaudern in Kauf nehmen, sollte sich die EU nicht zu großzügigen Zugeständnissen durchringen. Auch Andrea Leadsom, die zuletzt als Ministerin für Parlamentsfragen im Kabinett von May saß, und Verteidigungsministerin Penny Mordaunt gelten als eingefleischte Brexit-Hardliner.

Einer weiteren Kategorie von Bewerbern gehören Außenminister Jeremy Hunt und Innenminister Sajid Javid an. Beide hatten sich im Brexit-Referendum 2016 zunächst gegen den EU-Austritt ausgesprochen. Inzwischen befürworten sie den Brexit. Sie haben damit ein ähnliches Profil wie die scheidende Premierministerin.

Rory Stewart

Rory Stewart

Hoffnungsträger derjenigen, die auf eine Kompromisslösung, einen Brexit mit enger Anbindung an die EU hoffen, dürfte Entwicklungshilfeminister Rory Stewart sein. Der Ex-Diplomat hebt sich mit seiner sachlichen Art deutlich ab von den meisten seiner Mitbewerber und plädiert dafür, sich möglichst bald wieder auf wichtigere Themen als den Brexit zu konzentrieren.

Wahlmodus

Der parteiinterne Prozess um Mays Nachfolge soll in der Woche vom 10. Juni an beginnen und bis zur parlamentarischen Sommerpause ab dem 20. Juli abgeschlossen sein. In dem mehrstufigen Auswahlverfahren wird zunächst das Bewerberfeld von den Abgeordneten der Tory-Fraktion auf zwei Kandidaten reduziert. In jedem Wahlgang scheidet der Letztplatzierte aus. Die beiden verbliebenen Bewerber müssen sich den rund 100.000 Mitgliedern der Parteibasis bei einer Urwahl stellen. Der Führungswechsel ändert an den knappen Mehrheitsverhältnissen im Parlament nichts - es sei denn, es gibt eine Neuwahl. Das forderte die oppositionelle Labour Party umgehend. Ihr finanzpolitischer Sprecher John McDonnell bekräftigte am Samstag, dass seine Partei ein Misstrauensvotum gegen die Regierung anstreben werde, sollte es gute Aussichten auf einen Erfolg geben.

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