Hunderttausende auf der Flucht: Wie russische Söldner die Sahelkrise befeuern

SPAIN-MIGRATION
Im westafrikanischen Mali werden Zivilisten von russischen Söldnern getötet und gefoltert. Tausende fliehen - auch nach Europa. Die Krise in der Sahelregion könnte sich bald weiter zuspitzen.

Es war eine hochkarätige Delegation, mit der Pedro Sánchez vergangene Woche nach Mauretanien gereist ist. Gleich sieben Minister begleiteten den spanischen Premier, für den es bereits die dritte Visite in dem westafrikanischen Land in nur eineinhalb Jahren war. In der Hauptstadt Nouakchott unterzeichnete er mit Präsident Mohamed Ould Ghazouani eine gemeinsame Erklärung zur Stärkung der bilateralen Zusammenarbeit.

Die Botschaft, die Madrid sendet, ist klar: Mauretanien ist ein unverzichtbarer Partner. Zum einen, weil es anders als seine Nachbarn in der Sahelzone noch eine gewählte Regierung hat. Zum anderen, weil der riesige Flächenstaat zum Hotspot westafrikanischer Fluchtbewegungen nach Europa geworden ist.

Migrations-Hotspot

Von der mauretanischen Küste legen nämlich die meisten Boote in Richtung Kanarische Inseln ab - über die gefährliche Atlantikroute, die am schnellsten gewachsene Migrationsroute in die Europäische Union. Im Jahr 2024 erreichten von dort 47.000 Menschen die spanische Inselgruppe, ein Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Mehrheit der Flüchtlinge stammt aus Mali, mit dem Mauretanien eine tausend Kilometer lange Wüstengrenze teilt. Aber auch aus dem Senegal, aus Guinea oder sogar aus asiatischen Ländern wie Bangladesch oder Pakistan – ein klares Indiz dafür, dass Schlepperbanden das Land als zentrales Drehkreuz nutzen, so Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

Die Malier fliehen vor allem vor russischen Söldnern, die inzwischen nicht mehr zur Wagner-Gruppe, sondern zum „Afrikakorps“ gehören und damit direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt sind. Offiziell kämpfen die Söldner im Auftrag der malischen Militärregierung, die seit fünf Jahren und ohne Aussicht auf Wahlen herrscht, gegen dschihadistische Gruppen.

In Wirklichkeit aber richten sich ihre Angriffe oft auch gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Angehörige der Volksgruppe der Fulbe. Sie berichten vom brutalen Vorgehen der Söldner, von Folterungen und Entführungen. Laessing: “Vielen wird pauschal die Unterstützung von Dschihadisten vorgeworfen. Die Söldner töten, vergewaltigen, plündern und brennen ganze Dörfer nieder."

EU fordert strengeren Grenzschutz

Nicht nur Spanien, auch die EU hat Mauretaniens strategische Bedeutung in der Sahelzone erkannt. So stockte Brüssel erst im März seine militärischen Ausrüstungshilfen für das Land auf 47 Millionen Euro auf – zusätzlich zu einem bereits im Vorjahr geschnürten Hilfspaket über 210 Millionen Euro. Spanien selbst sagte weitere 300 Millionen Euro zu. Im Gegenzug fordert man striktere Migrationskontrollen, wie sie zuvor bereits in Ländern der zentralen Mittelmeerroute, etwa in Libyen oder Tunesien, umgesetzt wurden. Sie zeigen bereits Wirkung: Im ersten Halbjahr 2025 sank die Zahl der Ankünfte auf den Kanaren um 40 Prozent.

In Mauretanien, das bis Ende 2024 rund 300.000 Geflüchtete aus Mali aufgenommen hat, spitzt sich die Situation  jedoch seitdem zu. Weil die Menschen unter dem Druck der EU an der Weiterreise gehindert werden und wegen der Gefahren auch nicht in ihre Heimat zurückkehren können, nehmen die sozialen Spannungen in dem verarmten Land zu: Geflüchtete konkurrieren mit Einheimischen auf dem lokalen Arbeitsmarkt. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Immer mehr junge Mauretanier schließen sich aus Frust den Dschihadisten an, so Laessing.

Lage könnte sich zuspitzen

Für ihn ist diese Entwicklung Teil einer bewussten Strategie des Kremls, der auch in den Nachbarstaaten Niger und Burkina Faso längst stark mitmischt. Der Flüchtlingsdruck aus der Sahelzone werde gezielt eingesetzt, um Europa zu destabilisieren. „Man hat es in Niger gesehen. Die EU hatte dort ein Abkommen mit der alten Regierung, um Schmuggelrouten nach Libyen zu schließen. Die neue Regierung hat dieses Abkommen rückgängig und die Route wieder aufgemacht - nachdem Russland signalisiert hatte, mit ihnen zusammenarbeiten zu wollen."

In den kommenden Monaten dürfte sich die Lage weiter zuspitzen, sagt er. Nach dem Wegfall der US-Hilfen - dem bislang wichtigsten Geldgeber - droht den mauretanischen Flüchtlingslagern der Kollaps. Gleichzeitig reißt der Zustrom aus Mali nicht ab, da auch dort die Trump-Administration die humanitäre Hilfe gestrichen hat. "Das wird alles zusammenbrechen", warnt Laessing. Europa müsse den Fokus wieder mehr auf die Sahelzone richten. Denn: "Wenn Russland sich in der Region so festsetzt und  Migrationsströme treibt, trifft das Europa direkt." Auch Nachbarn wie Benin, Togo oder Côte d' Ivoire, die Europa zugeneigt sind, geraten zunehmend unter Druck. "Und wenn diese Länder auch noch kippen, droht eine riesige Flüchtlingswelle."

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