Israel erklärt Kriegszustand nach Hamas-Angriffen: Mindestens 200 Tote

Israelische Gegenangriffe auf den Gazastreifen
Militante Palästinenser feuerten Samstagfrüh tausende Raketen auf Israel ab. Israel startete Gegenangriffe. Es gibt Berichte von vielen Toten auf beiden Seiten. Gefangene israelische Soldaten sollen an gesicherten Orten sein.

Militante Palästinenser im Gazastreifen haben Samstagfrüh bei einem Überraschungsangriff tausende Raketen auf Ziele in Israel abgefeuert. In mehreren Städten des Landes heulten die Warnsirenen. Der massive Angriff aus dem Gazastreifen kam unerwartet. Israel feiert gerade das jüdische Fest Simchat Tora (Freude der Tora).  

Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas sprach Samstagfrüh vom Beginn einer "Militäroperation" gegen Israel. Inzwischen hat Israels Armee den Kriegszustand erklärt. Die Hamas müsse für ihren Angriff die Konsequenzen tragen, man sei "im Kriegsmodus", hieß es seitens der israelischen Armee. Verteidigungsminister Yoav Gallant habe der Einberufung von Reservisten zugestimmt. Gallant selbst erklärte: "Hamas hat heute Morgen einen großen Fehler gemacht." Israel konterte bereits mit Gegenangriffen. So führt die israelische Luftwaffe nach Angaben eines Sprechers Luftschläge im Gazastreifen aus.

"Wir sind im Krieg und wir werden gewinnen", erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu

Dutzende Tote auf beiden Seiten

Mindestens 200 Israelis sollen nach Angaben des israelischen Senders N12 getötet worden sein. Die Israelis sind Einsatzkräften zufolge vor allem durch Schüsse getötet worden, berichtete der Rettungsdienst Magen David Adom. Zudem sollen mehr als 1.100 Israelis verwundet worden sein, wie das Gesundheitsministerium berichtet. Bei israelischen Gegenangriffen im Gazastreifen wurden mindestens 230 Menschen getötet und mehr als 1.600 verletzt. Das teilte das Gesundheitsministerium im Gazastreifen am Samstag mit.

Bewaffnete Palästinenser sollen auf israelisches Gebiet eingedrungen sein 

Laut israelischen Armeeangaben drangen Samstagfrüh mehrere bewaffnete Palästinenser auf israelisches Gebiet ein. Das Militär teilte am Samstag mit, mehrere Terroristen seien auf israelischem Gebiet und rief die Einwohner der Grenzorte am Rande des Küstenstreifens dazu auf, in ihren Häusern zu bleiben. Augenzeugen berichteten von Schusswechseln auf der Straße. Unklar war, wie die Angreifer aus dem Gazastreifen die streng geschützte Grenze überwinden konnten. 

In mehreren Städten im Süden Israels gibt es israelischen Angaben zufolge Feuergefechte zwischen palästinensischen Angreifern und israelischen Sicherheitskräften. Dabei wurde der Präsident des Regionalrats der israelischen Grenzorte nordöstlich des Gazastreifens getötet. Ofir Liebstein sei "bei einem Schusswechsel mit Terroristen" getötet worden, teilte der Regionalrat von Shaar Negev am Samstagmorgen mit.

Raketenalarm in Israel: Rauch steigt auf über Ashkelon.

Raketenalarm in Israel: Rauch steigt auf über Ashkelon.

Berichte über Geiselnahmen im Süden Israels

Der bewaffnete Arm der Hamas veröffentlichte ein Video von Kämpfern mit drei Gefangenen in Zivilkleidung. Laut einem Videokommentar handelt es sich um Mitglieder der Al-Qassam-Brigaden, die "mehrere feindliche Soldaten" im Kampf gefangen genommen hätten. Hebräische Schrift im Hintergrund deutet darauf hin, dass die Aufnahmen auf der israelischen Seite des Eretz-Grenzübergangs zum Gazastreifen aufgenommen wurden.

Laut einem Bericht des TV-Senders Reshet werden 13 israelische Geiseln in der südisraelischen Stadt Ofakim von palästinensischen Kämpfern festgehalten. Im israelischen Kibbuz Beeri in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen werden von der Hamas laut einem Bericht des israelischen TV-Senders N12 rund 50 Geiseln gefangen gehalten. Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri sagte dem TV-Sender Al-Dschasira, „eine große Zahl“ an israelischen Geiseln seien in der Gewalt der Hamas. Die gefangengenommenen israelischen Soldaten und Offiziere seien laut Hamas an gesicherten Orten und in Tunneln.

Hamas sprach von "Militäroperation" gegen Israel

Die Hamas hat Samstagfrüh den Beginn einer "Militäroperation" gegen Israel erklärt. Die Hamas habe beschlossen, israelischen "Verbrechen" ein Ende zu setzen, sagte der Hamas-Militärchef Mohammed Deif in einer Botschaft am Samstagmorgen. Aus Kreisen der Hamas-Organisation hieß es außerdem, es seien auch Israelis in den Küstenstreifen entführt worden. Dafür gab es aber von Seiten der israelischen Armee zunächst keine Bestätigung. Die Palästinenser-Miliz Islamischer Jihad ist nach eigenen Angaben mit Kämpfern an dem Hamas-Angriff auf Ziele in Israel beteiligt.

Hamas-Chef Ismail Hanijeh kündigte zudem an, den Kampf vom Gazastreifen auf das Westjordanland und Jerusalem auszuweiten. „Der Kampf hat sich in das Herz der 'zionistischen Einheit' verlagert“, sagt er. Zugleich warnt er arabische Länder, dass Israel ihnen keinen Schutz bieten könne. 

Raketenangriffe auf Israel: Feuerwehrmann im Löscheinsatz gegen Feuer in Ashkelon.

Raketenangriffe auf Israel: Feuerwehrmann im Löscheinsatz gegen Feuer in Ashkelon.

Rettungsdienste rufen zu Blutspenden auf

Auch in der Küstenmetropole Tel Aviv und in anderen Städten des Landes gab es am Samstag im Laufe des Tages Raketenalarm. Bei  neuerlichen Angriffen am Abend wurden mehrere Menschen verletzt. Zahlreiche Explosionen waren über der Küstenmetropole zu hören, die vermutlich durch das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome ausgelöst wurden. Zuvor heulten in mehreren Städten des Landes die Warnsirenen. Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, in geschützten Bereichen zu bleiben. 

Die Hamas teilte am Abend mit, es seien 150 Raketen auf Israel abgeschossen worden. Grund sei, dass Israel ein Wohnhaus im Gazastreifen attackiert habe. Die israelische Luftwaffe beschoss als Reaktion auf den Angriff Ziele der Hamas im Gazastreifen. Am Abend dauerten die Kampfhandlungen an fast zwei Dutzend Orten an. „Wir kämpfen an 22 Orten“, sagte Militärsprecher Daniel Hagari. Es gebe keine Gemeinde im Süden Israels, in der keine Streitkräfte seien. „Es gibt Gemeinden, die von Terroristen befreit wurden, aber wir möchten das Gebiet weiter durchsuchen, bevor wir dies bekannt geben“, sagte Hagari weiter.

In den Orten Ofakim und Beeri sei es zu Geiselnahmen gekommen. „Dort sind Spezialeinheiten mit hochrangigen Kommandeuren im Einsatz und es kommt zu scharfen Feuergefechten“, sagte Hagari. „Wir befinden uns im Krieg.“ In allen Gebieten seien Straßensperren errichtet worden.

Eindrücke aus Israel und dem Gazastreifen

Israels Raketenabwehrsystem "Iron Dome" fängt aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen ab - gesehen von Ashkelon im Süden Israels.

Feuer in einem Häuserblock in Tel Aviv in Israel nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen

Luftaufnahme von brennenden Autos in Ashkelon in Israel 

Brände beim Erez-Übergang zwischen Israel und dem Gazastreifen

Rauch über Gaza-Stadt nach israelischen Gegenschlägen 

Zu sehen ist eine Rakete, abgefeuert aus dem Gazastreifen.

Raketen am Himmel

Raketenangriffe auf Israel: Feuerwehrmann im Löscheinsatz gegen Feuer in Ashkelon.

Raketenalarm in Israel: Rauch steigt auf über Ashkelon.

Eine Rakete wird aus dem Gazastreifen Richtung Israel abgefeuert. 

Palästinenser fahren in einem israelischen Militär-Jeep im nördlichen Gazastreifen.

Israelische Panzer stellen sich am Sonntag im Norden Israels in Position.

Menschen gehen am Sonntag an einer zerstörten Moschee in Khan Yunis im südlichen Gazastreifen vorbei.

Zerstörtes Häuser: Israel hat in der Nacht Gegenschläge im Gazastreifen durchgeführt. 

Rauchsäulen nach israelischen Gegenschlägen in Gaza-Stadt in der Nacht auf Sonntag

Angespannte Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland

Der massive Angriff aus dem Gazastreifen kam als Überraschung. Die Lage besonders im besetzten Westjordanland hatte sich allerdings zuletzt wieder zugespitzt. Seit Donnerstag waren dort vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der Armee getötet worden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

➤ Mehr lesen Sie hier: Israel greift nach Raketenbeschuss Ziele im Gazastreifen an

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

Raketen am Himmel

Raketen am Himmel

Gewaltsame Proteste an Gaza-Grenze

An der Gaza-Grenze war es im vergangenen Monat mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Posten der im Gazastreifen herrschenden militanten Palästinenserorganisation Hamas an.

➤ Mehr lesen Sie hier: Israel greift nach Unruhen in Gaza einen Posten der Hamas an

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UN-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

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