Macrons Migrationsgesetz ist ein "ideologischer Sieg" für Le Pen
von Simone Weiler aus Paris
Das Ringen und Zittern um ein neues französisches Migrationsgesetz dauerte bis zum Schluss, doch seit Dienstagabend steht fest, dass die Regierung ihr umstrittenes Projekt durchgebracht hat. Ursprünglich hatte sie das Ziel ausgegeben, Einwanderung stärker zu kontrollieren und die Integration zu verbessern.
So war neben der Verschärfung der Zuwanderungsregeln ein leichterer Zugang zu einer Aufenthaltserlaubnis für die bis zu 900.000 Menschen vorgesehen, die illegal im Land leben und in Mangelberufen, etwa im Pflegebereich, dem Baugewerbe oder der Gastronomie, arbeiten und teils längst in die Sozialkassen einzahlen. Doch dieses Vorhaben wird nun stark eingeschränkt.
Macron spaltet seine eigene Partei, Gesundheitsminister Rousseau geht
Da Macrons Partei nur eine relative Mehrheit in der Nationalversammlung hat und von der Zustimmung der konservativen Republikaner abhängig war, machte sie diesen etliche Zugeständnisse. So konnte das Gesetz mit den Stimmen der bürgerlichen Republikaner, des rechtsextremen Rassemblement National (RN) sowie einer Mehrheit der Präsidentenpartei Renaissance verabschiedet werden. Doch 27 von deren linkem Flügel votierten dagegen und 32 enthielten sich – ein beispielloser Vorgang, der den Riss illustrierte, der durch die Partei geht.
Mehrere Minister hatten mit ihrem Rücktritt gedroht, der Gesundheitsminister Aurélien Rousseau bestätigte im Anschluss, dass er das Kabinett verlassen wolle. Größter Streitpunkt war die Maßnahme, mehrere soziale Leistungen für Migranten künftig an Bedingungen zu knüpfen.
Das steht im Gesetz
Der gefundene Kompromiss sieht vor, dass Ausländer mindestens fünf Jahre in Frankreich leben oder drei Monate dort arbeiten müssen, um die Wohnungsbeihilfe APL zu beziehen. Auch der Familiennachzug wird verschärft. Außerdem soll das Parlament jährlich über Einwanderungsquoten debattieren. Das Delikt des illegalen Aufenthalts im Land, den der sozialistische Präsident François Hollande 2012 abgeschafft hatte, kommt zurück.
Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die Straftaten gegen Ordnungskräfte begehen, können die Staatsbürgerschaft verlieren. Studenten aus dem Nicht-EU-Ausland sollen eine Kaution hinterlegen, um zugelassen zu werden. Mehrere Präsidenten von Universitäten und Elitehochschulen hatten die Maßnahme als „Beleidigung gegen die Aufklärung“ kritisiert.
Verfassungswidrig?
Es seien „alle roten Linien überschritten worden, um die Marine-blaue Linie zu erreichen“, sagte der sozialistische Abgeordnete Boris Vallud in Anspielung an die RN-Fraktionschefin Marine Le Pen. Diese feierte einen „ideologischen Sieg“ ihrer Partei.
Während sich Innenminister Gérald Darmanin zufrieden über das „starke und entschlossene“ Ergebnis zeigte, bezeichnete die Präsidentin der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, manche der Maßnahmen als „fürchterlich unangenehm“. Das habe sie auch Emmanuel Macron mitgeteilt. Doch der wollte ein Gesetz um jeden Preis.
Noch steht aber eine Entscheidung des Verfassungsrates aus, um die Verfassungsmäßigkeit des Textes zu prüfen. Premierministerin Élisabeth Borne räumte am Mittwoch ein, dass mehrere Maßnahmen möglicherweise nicht konform sind.
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