Machtkämpfe schaden Koalition: Die Mehrheit ist weg
Der eine Machtkampf dauert nun schon viele Monate: CSU-Chef Horst Seehofer fordert Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingsfrage heraus und macht sie immer offensiver für den Zustrom von Migranten in Deutschland verantwortlich. Der andere Machtkampf beginnt gerade jetzt, indem SPD-Chef Siegmar Gabriel seiner Koalitionspartnerin Kontra gibt, etwa in der Frage des zu großen Merkel-Tempos bei den TTIP-Verhandlungen – Gabriel rüstet damit für die nächsten Bundestagswahlen, bei denen alles andere als klar ist, wer für die SPD überhaupt ins Rennen geht. Gabriel gilt weithin als chancenlos.
Wer aus den Machtkämpfen als Sieger hervorgeht, ist nicht zwingend vorhersehbar, auch wenn
Angela Merkel in ihren persönlichen Zustimmungswerten immer noch und nach einem Einbruch im vergangenen Herbst jetzt wieder ganz oben schwimmt. Wer Verlierer ist, ist aber klar: die große Koalition in Deutschland. Sie hat ihre Mehrheit verloren. Nicht nach Mandaten, aber in einer aktuellen Umfrage: CDU/CSU kommen laut INSA-Institut für die Bild-Zeitung auf 30 Prozent, die SPD sackt, wären am Sonntag Wahlen, um einen weiteren halben Prozentpunkt in den Umfragen ab und fällt unter die 20-Prozent-Marke – sie käme nur noch auf 19 Prozent. Damit würden die Koalitionsparteien erstmals unter die 50-Prozent-Marke fallen – so wenig Zustimmung wie nie zuvor.
Besonders prekär: Die rechtspopulistische AfD käme bis auf vier Punkte an die SPD heran und erreichte 15 Prozent. Die Grünen rangieren laut der Umfrage mit 13 Prozent vor der Linkspartei, die auf 9,5 Prozent käme. Die liberale FDP würde mit acht Prozent wieder in den Bundestag einziehen.
Krisengespräch
Vor diesem Hintergrund haben einander Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer am Dienstag zu einem Krisengespräch getroffen. Die beiden Parteichefs liegen vor allem in der Flüchtlingspolitik über Kreuz – die CSU hält Merkel vor, sie sei mit ihrer Flüchtlingspolitik für die sinkenden Umfragewerte der Union verantwortlich. Finanzminister Wolfgang Schäuble, langjähriger Vertrauter von Kanzlerin Merkel, stellte indessen gegenüber dem ZDF klar: „Dass es Streit gibt zwischen der CSU und der CDU, muss ich zurückweisen. Das sind vielmehr Attacken gegen Merkel.“
Offiziell diente das – letztlich ergebnislose – Treffen unter vier Augen gestern dazu, sich über die Positionen von CDU und CSU bei Energiethemen abzustimmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mahnte eindringlich ein Ende des unionsinternen Streits an. Unterschiedliche Auffassungen seien zwar Teil der Geschichte der konservativen Schwesterparteien in Deutschland. „Aber jetzt ist ein Zustand erreicht, der der Union im Ganzen schadet.“
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