London-Terror: "Wir lassen uns nicht unterkriegen"

Erlebte die Stimmung hautnah mit: Roland Adrowitzer
ORF-Mann Adrowitzer über die Stimmung nach den Anschlägen.

London ist meine Lieblingsstadt, ich habe in den späten 1980er-Jahren als ORF-Korrespondent hier gelebt. Ich bin in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder hergekommen, um bei Großereignissen auszuhelfen, so auch jetzt wegen der bevorstehenden Parlamentswahlen in Großbritannien am kommenden Donnerstag.

Kanadierin als Opfer

Ich bin am Samstagabend in Cardiff, um über die massiven Sicherheitsvorkehrungen rund um das Champions League-Finale zu berichten, als die Eilmeldungen aus London eintreffen: Wieder ein Terroranschlag mitten in der Hauptstadt des Königreiches, wieder ein Lastwagen, der auf einer Brücke Passanten niedermäht. Drei Verrückte, die dann mit langen Messern wahllos auf Menschen auf der Straße, in Pubs und Restaurants einstechen und dabei "This is for Allah" (Das ist für Allah) rufen. Ihr erstes Opfer ist eine junge Kanadierin, die in Kürze ihren Verlobten heiraten will. Er muss mitansehen, wie sie von den Terroristen abgeschlachtet wird.

Die Rückreise nach London ist nicht einfach: Zehntausende Fußballfans wollen in die Hauptstadt, im überfüllten Zug gibt es nur ein Gesprächsthema: Nicht das Champions League-Finale, sondern die neue Terror-Attacke.

Blick nach vorne

Die kosmopolitische Millionenstadt London selbst steht unter Schock, aber überall ist die eine Grundhaltung deutlich spürbar: Wir lassen uns nicht unterkriegen, wir lassen uns unseren way of life nicht nehmen. Wir haben die deutschen Bomben im Zweiten Weltkrieg und die Sprengstoffanschläge der IRA überstanden, und wir werden auch mit dieser Bedrohung fertig – auch wenn es lange dauern sollte.

Der 47 Jahre alte Gerard Vowls wird als Held gefeiert. Er kommt gerade aus einem Pub, als er sieht, wie die drei Terroristen auf ein Mädchen einstechen. Er läuft nicht davon, sondern auf die Extremisten zu, verfolgt sie, wirft mit Flaschen und allen Gegenständen, die er in die Hände bekommt, nach ihnen. Er ist kein Held, sagt er, nur ein normaler Mensch.

Hilfsbereitschaft

Eine Welle der Hilfsbereitschaft erfasst die Stadt. Über Facebook bieten Londoner Quartiere für Menschen an, die nicht mehr in ihre Wohnungen oder Hotels kommen. Taxifahrer verlangen keinen Fuhrlohn, Restaurantgäste, die fluchtartig die Lokale verlassen haben, kommen am nächsten Tag zurück, um ihre Rechnung zu begleichen.

Sobald Borough Market, eine Art überdachter Naschmarkt, wieder öffnet, werden die Lokale wieder voll sein. Jetzt erst recht.

London bleibt London.

Roland Adrowitzer ist seit ’78 beim ORF. Derzeit ist er Chefreporter.

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