Doch Lawrow habe mitgeteilt, „dass er das nicht entscheiden kann, dass er erst mit Moskau Rücksprache halten muss“, sagte ein sichtlich frustrierter Kuleba. „Ich denke, dass man als Außenminister in der Lage sein sollte, bei Verhandlungen eigenständig Entscheidungen zu treffen, um Frieden zu ermöglichen.“ Dann schob er nach: „Doch leider scheinen die wichtigen Entscheidungen in Russland alle von jemand anderem getroffen zu werden.“
Was folgte, war ein denkwürdiger Auftritt des russischen Außenministers.
Auch Lawrow gab sich gleich zu Beginn frostig. Zu dem Treffen sei es nur gekommen, so der 71-Jährige, weil Russlands Präsident Wladimir Putin dem ausdrücklichen Wunsch seines Kollegen Recep Tayyip Erdoğan nachgegeben hatte: „Wir haben in erster Linie aus Respekt vor unseren türkischen Freunden daran teilgenommen“.
Der Termin solle keinesfalls dazu dienen, die „eigentlichen Friedensverhandlungen“, die gerade zwischen Regierungsvertretern beider Seiten auf weißrussischem Boden abgehalten werden, „zu entwerten“, so Lawrow. Die angesprochenen Gesprächsrunden in Belarus werden von etlichen Beobachtern als aussichtslose Scheinverhandlungen wahrgenommen, die von russischer Seite vor allem als Signal an die eigene Bevölkerung gedacht seien.
Was diese These stützt: Lawrow, einer der populärsten Politiker in Russland, nutzte die Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen in Antalya zu einem 40-minütigen Rundumschlag voller Propaganda.
Zivilisten im ganzen Land würden von der Ukraine als „menschlicher Schild“ genutzt, auch in den humanitären Korridoren, meinte er etwa – und lieferte gleich ein abenteuerliches Beispiel: Die Geburtenstation in der Stadt Mariupol, die am Mittwoch von russischer Artillerie bombardiert worden war, sei „als Militärbasis verwendet“ worden, von der aus „terroristische Aktivitäten geplant und durchgeführt“ worden seien.
Eine Behauptung, die noch am Nachmittag den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij zu einer Videobotschaft auf russisch veranlasste: „Die Russen werden belogen“, in dem Spital seien drei Zivilisten gestorben und 17 verletzt worden, darunter „Kinder, Frauen und medizinische Mitarbeiter“ so Selenskij.
Zumindest Lawrows Vorwurf, die USA betreibe auf ukrainischem Boden Labore zum Herstellen biologischer Waffen, fußt auf einer unpräzisen Aussage der US-Staatssekretärin Victoria Nuland. Lawrow vermutet solche Labore allerdings im gesamten ehemaligen Sowjet-Raum sowie in allen Nachbarstaaten Chinas.
Während in Antalya nur rhetorisch gestritten wurde, gingen die Kämpfe in der Ukraine auch am Donnerstag weiter. Russische Flugzeuge sollen die Umgebung der nordostukrainischen Großstadt Sumy bombardiert, dabei erneut Wohngebiete getroffen und eine Gasleitung zerstört haben. In den sozialen Medien gibt es Bilder von den Einschlagsorten, die Angaben können aber nicht unabhängig überprüft werden.
Der ukrainischen Regierung zufolge arbeite die russische Armee weiter daran, Kiew zu umzingeln, und verstärkte ihre Einheiten rund um die Großstadt Mikolajiw. Der Kreml verkündete, man habe mehrere Bezirke der strategisch so wichtigen Stadt Mariupol eingenommen.
Kommentare