Kurz in Saudi-Arabien: "Keine Hetz hier, nur Gebete"

Empfang bei König Salman (re.): Kurz diskutierte auch heikle Themen wie Menschenrechte
Außenminister lotet bei Visite die Positionen des Gottesstaates in Syrien und im Krieg gegen den IS aus.

Bei Reisen in unsicheren Zeiten wie diesen hilft auch Galgenhumor. Mit Turkish Airlines nach Saudi-Arabien mit langem Zwischenstopp in Istanbul – klingt gefährlich? "Eine militärische Vergeltung gegen die Türken wegen des Jet-Abschusses hat Russland eh ausgeschlossen", sagt jemand aus der Gruppe, die Außenminister Sebastian Kurz auf seiner Reise nach Riad begleitet; und die Terroristen des "Islamischen Staates" (IS), der mit der Türkei einige Rechnungen offen hat, sind derzeit anderswo viel beschäftigt und werden sich nicht gerade den Flughafen in Istanbul aussuchen als Ziel. Oder die saudische Hauptstadt Riad.

In der ist die Nervosität spürbar. Massive Sicherheitsvorkehrungen vor allen öffentlichen Gebäuden, keine Hotel-Zufahrt ohne Security-Check. Im Innenministerium erzählt man den Österreichern, warum: 17 Anschläge des IS gegen saudische Sicherheitskräfte und gegen die schiitische Minderheit im Osten des Landes hat es heuer bereits gegeben, im Juli wurden mehr als 400 mutmaßliche Terroristen verhaftet, die Attentate auf Botschaften und eine Moschee geplant haben sollen.

"Sind Hauptziel des IS"

Dabei haben zwar nicht das offizielle Saudi-Arabien, aber private Financiers seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs Dschihadisten-Gruppen im Kampf gegen das Assad-Regime unterstützt und den IS mit groß gemacht. Das wird in Riad auch mehr oder minder zugegeben. Seit der IS das Kalifat vom gesamten arabischen Raum bis Europa ausgerufen hat, weiß aber auch Riad, dass es von der Terrorgruppe bedroht ist. "Wir sind eines der Hauptziele des IS", sagt Masur Sultan al Turki, Sprecher des Ministeriums. 3000 Saudis haben sich seit 2011 in den syrischen Bürgerkrieg aufgemacht, 700 kamen zurück, 250 sitzen im Gefängnis. "Aber inzwischen sagt der IS, kommt nicht zu uns, bleibt in eurem Land und macht dort eure Arbeit."

Der Kampf gegen den IS war auch eines der Hauptthemen der Gespräche von Minister Kurz’ mit seinem saudischen Amtskollegen Adel al Jubeir. "Es ist wichtig, den Kontakt zu Saudi-Arabien zu halten, weil es ein Player in der konfliktgeladensten Region der Welt ist, die Auswirkungen auch auf uns hat, wie wir spätestens seit der Flüchtlingskrise wissen", sagte Kurz. In Sachen Terrorbekämpfung ist Saudi-Arabien Teil der von den USA geführten Allianz gegen den IS. Die frühere Finanzierung des IS durch private Saudis, so habe al Jubeir versichert, sei inzwischen "gekappt".

Todfeind Assad

Weiteres Thema der Gespräche waren die vor einem Monat in Wien begonnenen Syrien-Verhandlungen, in der ab der zweiten Runde auch die regionale Großmacht Saudi-Arabien mit am Tisch saß.

Eines der Ergebnisse der letzten Runde in Wien war, dass Saudi-Arabien die relevanten Oppositionsgruppen in Syrien zusammenbringen soll, auf dass es bei weiteren Syrien-Gesprächen ein Gegenüber für allfällige Vertreter des Regimes geben kann. Dieses Treffen der Opposition findet schon Anfang Dezember in Riad statt – kurz vor der nächsten großen Syrien-Runde in Paris.

Kurz in Saudi-Arabien: "Keine Hetz hier, nur Gebete"
ABD0072_20151126 - RIAD - SAUDI-ARABIEN: ZU APA0006 VOM 26.11.2015 - (v.l.) Außenminister Sebastian Kurz und sein saudischer Amtskollege Adel al-Jubeir am Donnerstag, 26. November 2015, während eines offiziellen Arbeitsbesuches in Riad (Saudi-Arabien). - FOTO: APA/APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC
"Wir wollen die Reihen der Opposition schließen, damit das Assad-Regime aus der Welt geschafft werden kann", sagte al Jubeir nach seinem Treffen mit Kurz. Assad trage die Verantwortung für das Leiden der Syrer. Damit liegt das sunnitische Saudi-Arabien nach wie vor im Clinch mit den Assad-Unterstützern Russland und vor allem dem schiitischen Iran.

Thema drei: die Menschenrechte in Saudi-Arabien. Es gebe "absolute Differenzen" in Fragen der Rechte der Frauen oder der Todesstrafe, die so wie körperliche Strafen "unmenschlich" sei, sagte Kurz, der im Gespräch mit al Jubeir konkret drei Fälle ansprach: Die Auspeitschung des saudischen Bloggers Raif Badawi wegen islamkritischer Kommentare, die Todesstrafe gegen den palästinensischen Dichter Ashraf Fayadh wegen Religionsabfalls und die Todesstrafe gegen den 17-jährigen Schiiten Al Nimr wegen "Widerstands gegen das Regime". Offiziell verweist man in Riad auf die "unabhängige Justiz". Zumindest im international viel beachteten Fall Badawi gibt es aber Signale, dass die Strafe (1000 Hiebe) nicht weiter vollstreckt wird.

Nur wegen Geld hier

Und das Leben in Saudi-Arabien selbst? Davon bekommt ein Außenminister an einem Tag, an dem er neben seinem Amtskollegen auch noch König Salman und den Kronprinzen Bin Naif traf, nicht wirklich viel mit, außer beim kurzen Besuch einer Shopping-Mall in Riad. Verschleierte Frauen, nach Geschlechtern getrennte Gebetsräume allenthalben, ein Höllenverkehr und endlose Staus auf den breiten Straßen, keine Frauen am Steuer, weil verboten. Oder, wie es ein in Riad tätiger Ausländer (ein Drittel der Bevölkerung sind Gastarbeiter) auf die Frage formuliert, wie das Leben so ist: "No fun, just prayer", also keine Hetz, nur Gebete – nur nicht für einen Christen wie ihn, weil nicht-muslimische Gotteshäuser gibt es nicht. Nur zum Geldverdienen halte man es hier aus.

Heute, nach einem Treffen mit saudischen Frauenrechtlerinnen, reist Kurz wieder nach Wien. Beschützt vom Gebet, das vor jedem Flug von und nach Saudi-Arabien über Bordlautsprecher erschallt und auf den Video-Screens mitgelesen werden kann. Es ist das Gebet, das der Prophet einst vor seiner Reise sprach, eingeleitet von einem dreifachen "Allahu Akbar". Was auch ein bisschen was von Galgenhumor hat.

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