Kurz sieht bei Migration "großen Fortschritt" in der EU

++ HANDOUT ++ EU-GIPFEL IN BRÜSSEL: KURZ / MERKEL
Bundeskanzler sieht bei EU-Gipfel im Ansatz "Solidarität statt Quoten" einen "sehr mehrheitsfähigen Zugang".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) setzt beim Migrationsthema auf eine Solidarität der EU-Staaten ohne verpflichtende Flüchtlingsquoten. Kurz bekräftigte vor dem zweiten Gipfeltag in Brüssel am Donnerstag, dies würde bedeuten, "dass jeder einen Beitrag leistet, wo er kann". Er attestiert: "Die Richtung stimmt. Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir haben definitiv einen großen Fortschritt zustande gebracht", sagte Kurz.

Die EU sei in der Migrationsdebatte durch den Streit um Quoten jahrelang in der Sackgasse gesteckt, so Kurz. "Wir wollen jetzt den Weg der Solidarität statt verpflichtender Quoten gehen." Dies sei "ein sehr mehrheitsfähiger Zugang". Es seien auch alle sehr zufrieden mit dem Fortschritt an den Außengrenzen. Der Zustrom von Migranten sei massiv weniger geworden.

Seit dem EU-Gipfel im Juni habe sich viel getan, sagte Kurz. So sei die Zahl der illegal Einreisenden um 95 Prozent zurückgegangen. Ein weiterer Punkt sei die Zusammenarbeit mit Transitländern. Ägypten stelle etwa sicher, dass keine Schiffe mit Migranten mehr nach Europa aufbrechen. Italien unterstütze die libysche Küstenwache, auch mit Marokko und anderen Ländern würden solche Gespräche laufen. Durch das "Zurückstellen" von Migranten werde auch das Geschäftsmodell der Schlepper zerstört.

Merkel skeptisch

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Donnerstag nach dem EU-Gipfel zu der vom österreichischen Ratsvorsitz vorgeschlagenen "flexiblen Solidarität" in der Migrationsfrage skeptisch gezeigt. "Ich glaube, dass wir es uns damit noch ein bisschen zu einfach machen", erklärte Merkel. Wenn alle sagten, sie gäben mehr Geld für Afrika, aber niemanden aufnehmen, werde kein Problem gelöst.

Solange aber das Thema der Verteilung nicht gelöst werde, "können wir das Thema Migration nicht lösen", betonte die deutsche Bundeskanzlerin. Im Februar solle es auf Einladung Ägyptens einen Gipfel der Europäischen Union mit den Staaten der Arabischen Liga geben, so Merkel. Dort soll die Frage des EU-Außengrenzschutzes auch mit den arabischen Partnerstaaten diskutiert werden. "Wir haben, was die innere Dimension betrifft, noch Probleme", sagte Merkel. Mit einer Einigung in der Migrationsfrage sei aber auch nicht bei diesem Gipfel zu rechnen gewesen.

Opposition widerspricht

Scharfe Kritik an den bisher nicht vorhandenen Ergebnissen einer europäischen Migrations- und Asylpolitik kommt hingegen von der Opposition. "Die parlamentarischen Vorschläge zur EU-Asylreform liegen längst am Tisch. Die Staats- und Regierungschefs sollen endlich ihre Hausaufgaben erledigen", sagte der Vizepräsident der Sozialdemokraten im Europaparlament Josef Weidenholzer laut Aussendung am Donnerstag.

Bundeskanzler Kurz habe wenig Interesse "an einer humanen und menschenrechtskonformen Lösung", dies habe er mit seinen jüngsten Aussagen über NGOs unter Beweis gestellt, kritisierte Weidenholzer. "Die Kurz-ÖVP entfernt sich immer mehr von den christlich-sozialen Werten."

"Das Asylpaket liegt seit Juni auf dem Tisch. Es liegt jetzt auch an der österreichischen Ratspräsidentschaft, endlich eine Lösung zu finden", forderte die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar. Es könne nicht sein, dass diese wichtige zentrale europäische Frage an nationalen Partikularinteressen scheitert. "Es macht den Anschein, dass Österreich sich hier bewusst nicht positioniert, um innenpolitisch nicht eines ihrer Lieblings-Wahlkampf-Themen zu verlieren", so Mlinar.

Schwarzblaue Inszenierung

"Es passt in die Inszenierung des schwarzblauen Ratsvorsitzes, dass am EU-Gipfel erneut über Migration debattiert wird", kritisierte die Vizepräsidentin der Grünen im Europaparlament, Monika Vana. Stattdessen müsse die EU alles tun, um Demokratie und Grundrechte in ihren Mitgliedsstaaten zu verteidigen, forderte Vana. Die Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit Ungarns müsse spätestens auf die Agenda des nächsten EU-Gipfels. "Jeder weitere Aufschub einer Debatte hilft Orban beim Ausbau seiner illiberalen Demokratie."

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hat sich für finanzielle Sanktionen gegenüber jenen EU-Staaten ausgesprochen, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. "Wenn man gegen die Umverteilung (Relocation) ist, zahlt man mehr Geld in den Afrikafonds ein", sagte Tajani am Donnerstag im Brüssel. "Dies sollte ein guter Kompromiss für die Dublin-Reform sein."

Debatte um italienisches Budget

Kurz hat vor einer erwarteten EU-Gipfeldiskussion zum italienischen Budget zudem erneut auf Einhaltung der Maastricht-Kriterien zur Verschuldung gepocht. "Ich bin ein klarer Verfechter der Maastricht-Kriterien, die müssen für alle gelten", sagte Kurz vor den Beratungen am Donnerstag in Brüssel. Die Maastricht-Kriterien würden Stabilität sicherstellen. Die Verschuldung könne ansonsten für die Staaten selbst, aber auch für ganz Europa gefährlich sein, warnte der Kanzler: "Jede Überschuldung halte ich für gefährlich."

Eurogruppen-Chef Mario Centeno hat sich zuversichtlich gezeigt, dass man das Italien-Budget bewältigen könne. Vor dem Euro-Gipfel in Brüssel erklärte Centeno gleichzeitig, alle müssten die Regeln einhalten. Doch gebe es einen konstruktiven Dialog. Jedenfalls stehe Italien nicht auf der Tagesordnung des Euro-Gipfels. Die Causa werde aber in absehbarer Zeit bei der Eurogruppe behandelt. 

Der italienische Premier Giuseppe Conte hat einen Streit zwischen den Regierungsparteien Lega und Fünf Sterne-Bewegung über die Inhalte eine Pakets mit Steuermaßnahmen bestritten. Conte verteidigte den umstrittenen Haushaltsentwurf seiner Regierung. Er erwarte sich zwar Kritik seitens der EU-Kommission. Er sei jedoch der Meinung, dass er die EU-Kommissare davon überzeugen werde, dass die im Haushaltsplan enthaltenen Maßnahmen zur Ankurbelung der italienischen Wirtschaft beitragen werden.

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