Kurz in Minsk: "Erwärmte" Beziehungen und ein Auftrag

Weißrusslands Präsident Aleksander Lukaschenko, seit 21 Jahren im Amt, und Österreichs Außenminister Sebastian Kurz im Präsidentenpalast in Minsk.
Minsk hofft auf eine Verbesserung der Beziehungen zur EU – Österreich soll für "neue Sicht" sorgen.

Der "Palast der Unabhängigkeit" in Minsk sieht ein bisschen so aus wie der legendäre Palast der Republik im ehemaligen Ostberlin, nur pompöser. Der im Oktober 2013 eröffnete Amtssitz des weißrussischen Präsidenten erstreckt sich über 50.000 Quadratmeter, und die langen Hallen und Gänge mit teurem Marmor, schweren Lustern und viel Stuck sollen Respekt einflößen.

"Letzter Diktator Europas"

Das tut auch Aleksander Lukaschenko, der "letzte Diktator Europas", der seit 21 Jahren herrscht. Zumindest über seine Untergebenen. Wenn er den Raum betritt, in dem Österreichs Außenminister Sebastian Kurz und seine Delegation warten, schlagen die weißrussischen Mitarbeiter bis hin zu Außenminister Wladimir Makej die Hacken zusammen und nehmen Haltung an.

Und auch der Ton Lukaschenkos im Gespräch mit dem jungen Gast aus Österreich ist dosiert freundlich, aber jedenfalls bestimmt: Der Westen habe die Strategie gegenüber Weißrussland geändert (gemeint sind die Sanktionen wegen der Menschenrechtslage 2004 plus Verschärfung 2011), aber das Kommen des Ministers sei "ein gutes Zeichen" für eine "Erwärmung" der Beziehungen. Österreich und die EU würden nun "hoffentlich eine neue Sicht auf unser Land" bekommen, Sebastian Kurz möge bitte die Schritte dafür (in Europa) unternehmen. Das klingt fast wie ein Befehl, aber zumindest wie ein Auftrag.

Die Visite in Minsk am Montag ist Teil eines Dreiländer-Kurztrips Sebastian Kurz’ (Weißrussland, Russland, Ukraine) und erfolgt zu einem Zeitpunkt, da sich Weißrussland aus der Abhängigkeit Russlands zu lösen versucht und Anerkennung im Westen sucht. Nicht erst, seit Lukaschenko im vergangenen Jahr an der Angelobung des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko teilgenommen hat. Nach wie vor aber bestehen Sanktionen der EU gegen Minsk.

"Sowohl als auch"

Kurz kam mit der Botschaft, dass die Nachbarschaftspolitik der EU "flexibler" werden müsse, also keine Entweder-oder-Politik sein dürfe (z.B. Eurasische Wirtschaftsunion, deren Mitglied Weißrussland ist, oder Annäherung an die EU), sondern eine Sowohl-als-auch-Politik. An einem "Teufelskreis" Sanktionen-Gegenreaktionen habe niemand Interesse, es brauche eine "Positivspirale". Österreich ist übrigens unter den EU-Staaten wichtigster Investor in Weißrussland.

Gleichwohl überbrachte der Außenminister seinem Amtskollegen Makej (ein an der diplomatischen Akademie in Wien studierter Diplomat) und Präsident Lukaschenko die seitens der EU bestehenden Forderungen nach Freilassung politischer Gefangener, einer Zusammenarbeit mit der OSZE und einem Ende der Todesstrafe. Kurz sah "erste positive Signale": Erste politische Gefangene seien bereits freigelassen, eine künftige Wahlbeobachtung durch die OSZE sei zugesagt. Und nach der Todesstrafe bzw. einem Moratorium befragt, kündigte Außenminister Makej "konkrete Schritte" an.

Kurz verwies darauf, dass "Weißrussland im Ukraine-Konflikt eine vernünftige Position hat". Es hat bekanntlich die Minsker Gespräche mit der Ukraine, Russland und der EU ausgerichtet, deren Ergebnis der seit Februar geltende, brüchige Waffenstillstand in der Ostukraine ist. Gleichzeitig steht Minsk unter Druck Moskaus, Gegensanktionen gegen die EU wegen deren Kurs gegenüber Moskau zu verhängen .

Am Nachmittag besuchte Kurz das ehemalige Minsker Getto und legte am Denkmal des unbekannten Soldaten am Platz des Sieges Blumen nieder. Die Boulevards in Minsk sind bereits festlich geschmückt für die Feiern anlässlich des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai.

Danach reiste Kurz nach Moskau, wo er heute seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow trifft.

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