Kurz auf Asien-Trip: "Von den Besten lernen"

Kurz auf Asien-Trip: "Von den Besten lernen"
Regierung beklagt während Wirtschaftsmission nach Singapur und Hongkong den Mangel von rund 162.000 Fachkräften in Österreich

Verbote wohin man sieht. Wer denkt, die neuen Regeln in der Wiener U-Bahn seien streng, der kennt Singapur nicht. Im Stadtstaat ist Rauchen, der Import geschweige denn das Ausspucken von Kaugummis auf das Trottoir verboten; der Besitz von Drogen wird mit dem Tod bestraft.

Premierminister Lee Hsien Loong ist erst der dritte Regierungschef des Inselstaates, sein Vater war der Staatsgründer der seit 1965 von Malaysia unabhängigen Republik. Seither geht es – der politischen Führung und den rigiden Regeln geschuldet – steil bergauf.

Die Wirtschaft wächst (plus 3,6 Prozent) bei Vollbeschäftigung (2 Prozent Arbeitslosigkeit), auch die Insel selbst wächst. Gäbe es genug Sand, der sich im Meer aufschütten und auf dem sich bauen ließe: Singapur würde an Land gewinnen. Der Kleinstaat zählt, wie die gesamte ASEAN-Region (Verband Südostasiatischer Nationen), zu einer der Wachstumsregionen. Davon will Österreich profitieren. „Die Stärken des Landes sind wie in Österreich nicht die Rohstoffe, sondern die Menschen“, sagt Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer . Das Programm, das sich Kanzler Sebastian Kurz mit ihm, drei Ministern und einer Wirtschaftsdelegation vorgenommen hat, hat es in sich.

Die Kurz-Orchidee

Kaum ist Kurz nach 12h-Flug (diesmal Business- und nicht Economy-Class) von Alpbach via Frankfurt in der „Schweiz Asiens“ angekommen, wird ihm ein traditionelles Geschenk bereitet. Wie jedem Staatsgast wird ihm die Ehre zuteil, dass eine Orchidee, die Blume Singapurs, nach ihm benannt wird. Weiß-rosa ist die Kurz-Orchidee. Ambitioniert sind Zeitpläne und Ziele der rot-weiß-roten Delegation bei ihrer Stippvisite in Singapur und Hongkong. „Von den Besten lernen“, so die Devise.

Und das am Besten im Stundentakt. Und bei guter Stimmung. Kanzler, Minister und Präsident duzen einander am Podium, lassen sich wechselseitig den Vortritt und finden zwischen eng getakteten Terminen Zeit für Scherze. Und Komplimente.

Sebastian Kurz ist weltweit bekannt, das hilft bei unseren Business-Kontakten“, sagt Infrastrukturminister Norbert Hofer. Keine Rede ist hier von BVT & Co. Lieber von Innovation und Disruption.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck besucht Siemens und Startups, Hofer bei Frequentis ein Areal für autonom fahrende Autos und Drohnen und Bildungsminister Heinz Faßmann ein Polytechnikum, an dem gelehrt wird, wie man Cyberkriminalität bekämpft. Und Harald Mahrer? Der Wirtschaftskammer-Chef, der ob seiner vielen Funktionen (ab 1.9. Präsident der Nationalbank) und der Aussage, er habe „das Ausmaß des Fachkräftemangels unterschätzt“ vielfach kritisiert wird? Der will die Kritik auf Nachfrage nicht kommentieren, aber seine viel zitierte Aussage präzisieren. Er lässt Zahlen sprechen.

162.000 Experten fehlen

„Wir haben jetzt erstmals evidenzbasierte Daten. Die Ergebnisse dieses WKÖ-Fachkräfte-Radars zeigen, dass der Bedarf signifikant höher ist als angenommen. Österreichweit werden rund 162.000 Fachkräfte gesucht.“ Zum Vergleich: Im zehn Mal größeren Deutschland seien es 440.000, wie Mahrer jüngst im KURIER-Interview erklärte. Die hohe Zahl erkläre sich auch, da dem AMS nicht mehr alle offenen Stellen gemeldet würden. 87 Prozent der vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft befragten Unternehmen (4500 Antworten wurden ausgewertet) gaben an, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. 60 Prozent sagen, dass der Mangel zu Umsatzeinbußen führt oder bald führen wird.

Wie Mahrer dem Problem Herr werden will? „Wir müssen einen Sowohl-als-auch-Ansatz verfolgen.“ Der Zugang zur Lehre müsse Jugendlichen aus Drittstaaten erleichtert werden. So soll es künftig – wie bei Studenten – einen eigenen Aufenthaltstitel für solche Lehrlinge geben. Zudem fordert er eine „Reform der Rot-Weiß-Rot-Card“ und eine „Regionalisierung der Mangelberufsliste“.

Kurz will auch die „heute Arbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt bringen.“ Daher werde die Mindestsicherung geändert, um Arbeitsanreize zu schaffen. „Zuwanderung kann nur als Ergänzung für diverse Nischenberufe gelten.“

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