Kurdisch-arabisches Bündnis: Großoffensive gegen IS

SDF-Einheiten rückten in Vororte der nordsyrischen Stadt Raqqa ein. Heftiger IS-Widerstand erwartet.

Unterstützt von der US-Armee hat das kurdisch-arabische Bündnis SDF am Dienstag eine Großoffensive zur Rückeroberung der nordsyrischen Dschihadisten-Hochburg Raqqa gestartet. Die "große Schlacht" zur Vertreibung der Miliz Islamischer Staat (IS) aus Raqqa habe begonnen, sagte SDF-Sprecher Talal Silo in der Nähe von Raqqa.

Kurz darauf drangen Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) in die östlichen Vororte der Stadt ein. Die SDF hatten im November eine Offensive gestartet, um auf die IS-Hochburg Raqqa am Euphrat vorzurücken. Das Bündnis aus arabischen und kurdischen Einheiten wurde dabei von der US-Armee mit Luftangriffen, Militärberatern und Spezialkräften unterstützt. Im Mai entschied Washington, dem Bündnis auch Waffen zu liefern.

IS unter Druck

Inzwischen wird die Miliz in Syrien immer weiter zurückgedrängt und steht auch in Mossul, ihrer Hochburg im Irak, massiv unter Druck. Der Kommandant der US-geführten Allianz gegen den IS, Steve Townsend, erklärte, der Angriff auf Raqqa werde den Dschihadisten und ihrer Idee des "Kalifats" einen "entscheidenden Schlag" versetzen. Auch nach dem Fall von Raqqa und Mossul stehe dem Bündnis aber ein "langer harter Kampf" bevor.

Kurdisch-arabisches Bündnis: Großoffensive gegen IS
Syrian Democratic Forces (SDF) spokesman Talal Silo speaks during a press conference in Hukoumiya village in Raqqa, Syria June 6, 2017.REUTERS/Rodi Said
"Mit den Flugzeugen der internationalen Koalition und den hoch entwickelten Waffen, die sie uns geliefert hat, werden wir Raqqa von Daesh (IS) erobern", sagte SDF-Sprecher Silo. Die Lieferung der Waffen war in der Türkei auf scharfe Kritik gestoßen.

Türkei drohte mit sofortiger Vergeltung

Die Türkei betrachtet die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die das Rückgrat des SDF-Bündnisses bilden, wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei als Terrororganisation. Die türkische Regierung fürchtet, dass die Kurden einen eigenständigen Staat im Norden Syriens schaffen. Trotz der Proteste Ankaras halten die USA aber am Bündnis fest, da sie die SDF als effektive Kraft im Kampf gegen die IS-Miliz schätzen. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Dienstag, seine Regierung werde umgehend Vergeltung üben, sollte die Offensive gegen den IS in Raqqa eine Bedrohung für die Türkei darstellen.

Kurz nach Verkündung des Starts der Offensive drangen die SDF-Kämpfer in den östlichen Vorort Al-Mashleb ein, wie die SDF-Kommandantin Rodschda Felat sagte. Ihre Kämpfer griffen die Stadt von Norden, Osten und Westen an. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass das Bündnis mehrere Gebäude in Al-Mashleb eingenommen habe.

Vorbereitet wurde die Offensive von nächtlichen Luftangriffen der US-geführten Anti-IS-Allianz. Die US-geführte Koalition sieht sich dabei mit Berichten konfrontiert, ihre Jets seien wahrscheinlich für einen Luftangriff auf Raqqa verantwortlich, bei dem mindestens 21 Zivilisten starben. Die Informationen der Beobachtungsstelle, nach denen die Menschen bei der Flucht aus der Stadt angegriffen wurden, blieben von amerikanischer Seite zunächst unkommentiert. In den vergangenen Wochen hatte es mehrfach Berichte über viele getötete Zivilisten bei Luftangriffen der Koalition gegeben.

200.000 auf der Flucht

SDF-Sprecher Silo rief die Zivilisten in der Stadt auf, sich von den IS-Stellungen und der Front zu entfernen. Laut der Anti-IS-Koalition sind bereits knapp 200.000 Menschen aus Raqqa geflohen. In der Großstadt lebten zuvor 300.000 Menschen, darunter 80.000, die seit Beginn des Bürgerkriegs aus anderen Landesteilen geflohen waren.

Raqqa war im März 2013 an Rebellen gefallen, die jedoch Anfang 2014 von Dschihadisten vertrieben wurden, die sich später als IS-Miliz formierten und im Juni 2014 Raqqa zur Hauptstadt ihres "Kalifats" erklärten. Die Extremisten errichteten eine Schreckensherrschaft in der Stadt und richteten zahlreiche Menschen hin, die sich ihnen widersetzten.

Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben am Dienstag den Beginn der finalen Offensive auf die nordsyrische Dschihadisten-Hochburg Raqqa verkündet. Damit nähert sich der monatelange Kampf mit der IS-Miliz um ihre inoffizielle Hauptstadt ihrem Höhepunkt. Ein Überblick:

März 2013: Als erste Provinzhauptstadt in Syrien fällt Raqqa an Rebellengruppen um die islamistische Al-Nusra-Front, die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad ziehen sich zurück.

Jänner 2014: Die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) vertreibt die rivalisierenden Rebellen und errichtet eine Schreckensherrschaft in der Stadt.

Juni 2014: ISIS benennt sich in Islamischer Staat (IS) um und ruft von Mossul ein "Kalifat" im Norden des Iraks und Syriens aus mit Raqqa als inoffizieller Hauptstadt.

Juni 2015: Die IS-Miliz verliert die Stadt Tal Abjad in der Provinz Raqqa an die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), weitere Städte folgen.

5. November 2016: Das kurdisch-arabische Bündnis SDF um die YPG-Miliz startet mit Unterstützung der US-Armee eine Offensive zur Eroberung der Stadt.

6. März 2017: SDF-Einheiten schneiden die Versorgungsroute zwischen Raqqa und der Provinz Deir Essor im Osten ab, die noch von der IS-Miliz gehalten wird.

9. Mai 2017: Die US-Regierung von Donald Trump verkündet trotz scharfer Kritik der türkischen Regierung die Lieferung von Waffen an die SDF.

10. Mai 2017: Nach wochenlangen Kämpfen erobern SDF-Einheiten den strategisch wichtigen Euphrat-Staudamm von Tabqa nördlich von Raqqa.

6. Juni 2017: Ein SDF-Sprecher verkündet den Beginn der finalen Großoffensive auf Raqqa, erste Einheiten dringen in die östlichen Viertel der Stadt ein.

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