Kurden: Chance auf Neustart mit Ankara?
Moskau meint, Washington würde sich nicht an Abmachungen halten; Syriens Regierung beschuldigt Rebellen, den Waffenstillstand zu brechen und neue Offensiven vorzubereiten; unter den verschiedensten Rebellenfraktionen gibt es Zwist und es gibt Streit über UN-Hilfstransporte, die nicht durchgelassen werden. Aber eines zeichnet sich ab dieser Tage: Die Kämpfe in Syrien haben seit Montagnacht mit Inkrafttreten des zwischen Russland und den USA ausverhandelten Waffenstillstands merklich abgeflaut – alleine schon das ist beachtlich.
Und es zeichnen sich unter Umständen neue, bisher undenkbare Allianzen ab: Im Gespräch mit dem KURIER sagte Idris Nassan, Außensprecher des selbstverwalteten kurdischen Kantons Kobane in Nordsyrien, dass es womöglich eine Kooperation zwischen Kurden und jener türkischen Allianz geben könnte, die im August in Syrien einmarschiert war. Damals proklamierte Stoßrichtung: Die Terrormiliz IS. Zunächst kam es aber vor allem zu Kämpfen mit kurdischen Verbänden.
Diese Angriffe auf die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) hätten gestoppt, so Nassan. Zugleich würden sich Russland und die USA zunehmend mit den SDF koordinieren. Einen Zerfall dieser Allianz aus Kurden, Turkmenen, Arabern, Christen, wie er zuletzt möglich schien, sieht Nassan nicht.
Und auch die Türkei sende Signale. Vor allem, dass dem in der Türkei inhaftierten Chef der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, zuletzt nach fünf Monaten wieder erlaubt worden war, Besuch zu empfangen.
Ideologisch orientiert sich die kurdische Selbstverwaltung in Syrien an der PKK – aus Sicht Ankaras Staatsfeind Nr. 1. Während in der Türkei nach dem Scheitern des Friedensprozesses mit der PKK in manchen Regionen bürgerkriegsähnlich Zustände herrschen, sieht Ankara die Aktivitäten der syrischen PKK-Schwesternpartei PYD entsprechend skeptisch. Aus der Sicht Nassans besteht aber gerade jetzt eine Chance nicht nur für Syrien, sondern auch für die Türkei den Friedensprozess mit der PKK wieder in Gang zu bringen.
Nassan bekräftigt jedoch, dass die Selbstverwaltung in Nordsyrien an den Plänen festhalten werde, im Oktober Wahlen abzuhalten und die ausgerufene Föderalisierung durch eine Deklaration in allen drei kurdischen Kantonen zu stärken. Als "Verfassungsgebung" will er das nicht bezeichnen.
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