"Uns fehlt die Produktivität"

Workers at the Croatian shipyard ''3rd May'' enjoy a coffee break, in northern Adriatic port of Rijeka in this April 26, 2008 file photo . European Union candidate Croatia says it is ready to confront Brussels over the sale of its shipyards, even if it makes it impossible to conclude its accession talks this year. REUTERS/Nikola Solic/Files (CROATIA BUSINESS POLITICS)
Die Gründerin des WIFI in Kroatien ist eine ganz erstaunliche Unternehmerin.
Von Uwe Mauch

Die junge Kellnerin grüßt freundlich. Auch ihre Kollegen in der Küche und an der Bar sind hoch motiviert, und die Zuckerbäckerin erkundigt sich am Ende persönlich, wie denn die Käsetorte war. So etwas imponiert auch Touristen. Vor drei Wochen erst hat das „Kulinarijat“ in der Nähe der Zagreber Domkirche geöffnet. Die ersten Reaktionen sind euphorisch.

Dahinter steht das Know-how und das Kapital von Ivanka Springer, einer der ambitioniertesten Unternehmerinnen in Kroatien.

Kein Ruhestand

"Uns fehlt die Produktivität"
Ivanka Springer Unternehmerin GründerZagreb Kroatien
Springer, die mit einem Deutschen verheiratet ist, passt nicht ins klassische Kroatien-Klischee: Sie könnte längst im Ruhestand sein. Mehr Freude bereitet ihr, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, wofür ihr auch schon österreichische Minister ungläubig gratuliert haben.

Die Geschäftsfrau, die dreißig Jahre in Deutschland gearbeitet hat, unter anderem für Lufthansa, lächelt: „Ich habe in Zagreb das WIFI und auch das BFI gegründet.“ Damit nicht genug: „Ich habe beide Institutionen unter einem Dach vereint.“

Kaum jemand kennt die Schwächen der kroatischen Wirtschaft besser als sie: „Es fehlen uns gut ausgebildete Fachkräfte. Außerdem muss die öffentliche Verwaltung dringend professionalisiert werden. Nur so können wir mehr private Investoren auf uns aufmerksam machen.“

Das kleine „Kulinarijat“ ist ein Beispiel, wie es gehen könnte: Die jungen Leute werden fair bezahlt und erhalten eine praxisorientierte duale Ausbildung, so wie sie Ivanka Springer in Deutschland und Österreich kennen und schätzen gelernt hat.

Die agile Unternehmerin agiert weit über das Restaurant hinaus. Bis dato hat sie knapp 500 Bauarbeitern und Ingenieuren aus Kroatien und Serbien die Chance geboten, Weiterbildungskurse in ihrer Bauakademie zu besuchen. Die hat sie mit der kroatischen Handelskammer, der österreichischen Entwicklungsagentur und österreichischen Bauunternehmen gegründet. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Kroaten und Serben fit für einen Job in der EU zu machen.“

Aus Gesprächen mit ihren österreichischen Partnern hat Springer deren Bedenken deutlich herausgehört, doch sie kann beruhigen: „Die Beitrittsverhandlungen haben lange gedauert. In der EU-Kommission weiß man also, worauf man sich eingelassen hat.“ Kroatien werde kein zweites Griechenland.

Problem Korruption

Dabei verschließt sie nicht die Augen vor den hausgemachten Problemen. In den Umfragen der österreichischen Exporteure werden sie schon seit vielen Jahren beklagt: Korrupte, nicht adäquat ausgebildete Staatsdiener, zu langsam arbeitende Gerichte, ein verschuldeter Staat, bedrohlich verschuldete Bürger, leere Kassen in den Gemeinden, staatlich zu lange protegierte Betriebe, die international nicht konkurrenzfähig sind – diese Probleme ließen sich allerdings nicht von heute auf morgen korrigieren.

Was ihren Landsleuten im Vergleich mit Österreichern und Deutschen fehlt? Springer: „An Kreativität und Innovationskraft mangelt es nicht. Uns fehlt die Produktivität. Wir müssen daher Stück- und Lohnnebenkosten senken.“

Den jungen Leuten im „Kulinarijat“ imponiert, dass ihre „Chefica“ auch selbst die Ärmel in der Küche hochkrempelt, wenn es erforderlich ist. Heute soll – passend zur Zeit – ein EU-Menü gezaubert werden.

Was aber, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingen sollte, ausreichend gute Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen? Auch darauf antwortet Ivanka Springer präzise, auch wenn dies manchem in Kroatien nicht schmecken wird: „Dann werden noch mehr kluge Köpfe von hier weggehen.“

Kroatien ist eines der Top-Urlaubsziele Europas und wurde 2005 vom Lonely Planet zur Destination des Jahres gekürt. Im Vorjahr hat der Tourismus mit Einnahmen in Höhe von 6,83 Milliarden Euro etwa 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes beigetragen. Die Buchten und Inseln werden aber von zahlreichen wirtschaftlichen Problemen überschattet.

Der Adriastaat ist das fünfte Jahr in der Rezession. „Die Daten sprechen gegen eine Erholung. Wir projizieren einen Rückgang von 0,5 Prozent und erst im kommenden Jahr ein Wachstum von 1,2 Prozent“, sagt Sandra Svaljek, Ökonomin beim Wirtschaftsinstitut Zagreb (EIZ).

Jeder fünfte Kroate hat keine Arbeit, bei den Jugendlichen ist es jeder Zweite. Im Mai ist die Arbeitslosenrate im Jahresvergleich um 8,9 Prozent gestiegen. Statistisch gesehen hat jeder Bürger des 4,4-Millionen-Einwohner-Landes eine Kaufkraft von 4500 Euro im Jahr. Das heißt, dass Kroaten jährlich 15.000 Euro weniger zur Verfügung haben als Österreicher, rechnet das Marktforschungsunternehmen RegioData Research vor. Am wohlhabendsten sind demnach Bürger in Zagreb, Istrien sowie im Bezirk Primorsko-Goranska rund um Rijeka.

Die Einzelhandelsumsätze sind 2009 eingebrochen und in den folgenden Jahren nominell nur noch um ein bis zwei Prozent gestiegen. „Der kroatische Einzelhandel ist in den vergangenen vier Jahren nicht mehr gewachsen“, bringt es Wolfgang Richter, Geschäftsführer von RegioDataResearch auf den Punkt. Große Handelskonzerne ziehen sich nach verlustreichen Jahren zurück, beobachtet er. Die Fixkosten fressen einen Großteil des Gehalts der Bevölkerung auf. Durchschnittlich 36 Prozent ihrer Konsumausgaben fließen in Lebensmitteleinkäufe, in Österreich sind es 15 Prozent.

Auch bei Direktinvestitionen hinkt Kroatien hinter vergleichbaren Ländern her, analysiert Alen Kovac, Chefökonom der Erste-Bank-Kroatien. Im Gegensatz zu Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei sei es nicht gelungen, Industriebetriebe ins Land zu locken. Der Löwenteil der Investitionen ist in den Tourismus und die Finanzbranche geflossen. Größter Auslandsinvestor ist Österreich – allerdings aus rein technischen Gründen. Etwa, weil die Hypo Bank Kroatien eine Art bad Bank gründete und Firmenbeteiligungen auslagerte, was die kroatische Notenbank als Investition wertete.

Mit dem EU-Beitritt fallen für Exporteure nach Kroatien Zölle weg, was kroatische Firmen unter Druck bringt. Gleichzeitig muss Kroatien künftig Waren verzollen, die für die CEFTA-Länder bestimmt sind, die zollfreie Union der südosteuropäischen Länder. Im Vorjahr exportierte man Waren im Wert von 540 Millionen Euro in CEFTA-Staaten. Laut der kroatischen Wirtschaftskammer drohen Einbußen von bis zu 80 Millionen Euro und eine Abwanderung der Produktion in die CEFTA-Länder.

Der EU-Beitritt soll dagegen den Tourismus weiter ankurbeln. Auch wenn die Einreise von Urlaubern aus Russland, der Ukraine und Türkei bürokratischer wird, da sie ein Visum benötigen.

Politik

Die Republik wurde im Jahr 1991 vor dem Ausbruch eines blutigen Bürgerkriegs gegründet. Nach dem Tod des autokratischen Staatsgründers Franjo Tudjman im Dezember 1999 haben sich die sozialdemokratische SDP und die konservative HDZ als stärkste politische Lager etabliert. Derzeit stellt die SDP mit Zoran Milanovic den Ministerpräsidenten.

Wirtschaft

Die Lage ist schwierig, Kroatiens Wirtschaft ist im Vorjahr um zwei Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosenrate beträgt fast 20 %, die Inflationsrate 3,4 %.

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