Slowenen sehnen sich nach frischem Wind

Polit-Einsteiger Miro Cera will Slowenien von Grund auf erneuern – und führt in den Umfragen
Am Sonntag werden die Slowenen erneut vorzeitig zu den Urnen gerufen. Die meisten setzen ihre Hoffnungen in einen Polit-Neuling: Miro Cerar (50).

Was haben die Slowenen in den vergangenen Jahren schon alles erlebt: vom Musterland unter den EU- und Euro-Neulingen hin zum überschuldeten Krisenland, das fast unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen musste. Dazu Korruptionsvorwürfe und die eben deshalb erfolgte Verhaftung und schließlich Verurteilung des früheren Premierministers Janez Janša (SDS), der seit 20. Juni im Gefängnis sitzt. Zwei Regierungen sind in dieser Legislaturperiode schon zerbrochen, jetzt sollen Neuwahlen am Sonntag endlich einen Kurswechsel zum Guten bringen, so die Hoffnung der zwei Millionen Slowenen.

Und diese Hoffnung konzentriert sich jetzt vor allem auf eine Person, Miro Cera, einen der angesehensten Juristen des kleinen Landes. Bereits seine Mutter war Justizministerin, sein Vater erfolgreicher Kunstturner. Miro Cera schrieb schon an der Verfassung der jungen Republik mit. Der 50-jährige Rechtsprofessor, der ein Expertenteam für die Wahlen am Sonntag um sich geschart hat, verspricht, was sich viele erträumen: "Slowenien braucht eine neue Führung, die den ganzen angehäuften Schmutz wegwischen wird." Und der "Schmutz" ist vor allem die weit verbreitete Korruption, der Cera den Kampf angesagt hat. Denn ohne einen funktionierenden Rechtsstaat funktioniere auch die Wirtschaft nicht, betont der Jurist.

Kampfansage an die alten Eliten

Um gegen den Filz vorzugehen, will er auch sämtliche Spitzenmanager in Staatsbetrieben austauschen. Eine Kampfansage gegen die alten Eliten, die das kleine EU-Land prägen. Bei der Mehrheit der Bürger kommt dieser Kurs gut an. Den Umfragen zufolge wird Cera mit seiner Expertenpartei SMC die Wahlen am Sonntag klar gewinnen.

Den Kampf gegen Filz und Korruption und für einen neuen Stil in Politik und Wirtschaft hatten auch Tausende Demonstranten rund um den Jahreswechsel gefordert. Im Mittelpunkt ihres Unmuts standen drei Männer, die der Korruption bezichtigt wurden: der Bürgermeister von Maribor, der noch amtierende Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Janković, und der damalige Premier Janša.

Großkundgebung für Janša

Und heute? Maribor hat einen der Sprecher der Protestbewegung, Andrej Fistravec, als neuen Bürgermeister. Zoran Janković, der mit seinem Machtanspruch die Regierung seiner "Parteifreundin" Alenka Bratusek gesprengt hat, dürfte sogar den Einzug ins Parlament versäumen. Und Janša stilisiert sich als "politischer Häftling" – in seinem rechtskonservativen Lager durchaus mit Erfolg. Seine SDS dürfte dank ihrer treuen Stammwähler auf Platz zwei landen. Die SDS rief am Donnerstagabend zur Großkundgebung für den inhaftierten Janša. In ihren – und auch seinen – Augen ist er ein Opfer der "Kommunisten", die noch immer zu viel Macht im Land hätten.

Bis heute prägt Slowenien ein historisch begründetes Lagerdenken: die Linken, die als "Kommunisten", und das bürgerliche Lager inklusive Kirche, die als Kollaborateure der Nazis abgestempelt werden. Diese Kluft will Cera überwinden. Er sieht sich in der politischen Mitte und spricht Wähler links wie rechts an. Medienberichten zufolge strebt er eine lagerübergreifende Koalition an. Cera: "Am Ende muss das Interesse des Staates überwiegen."

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