Kriegsverbrechertribunal fällt Urteil über Radovan Karadzic

Radovan Karadzic beim Betreten des Gerichtssaals (Archivbild).
Karadzic gilt als politisch hauptverantwortlich für das Massaker von Srebrenica 1995.

21 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica im Osten Bosniens fällt das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag heute das Urteil gegen einen der beiden Hauptangeklagten, Radovan Karadzic. Der frühere bosnische Serbenführer gilt als politischer Hauptverantwortlicher des Massakers vom Juli 1995, bei dem rund 8000 muslimische Männer und Buben ermordet wurden.

Die Ankläger forderten lebenslang für den Angeklagten, Karadzic plädierte auf Freispruch. Es gebe kein vernünftiges Gericht, das ihn verurteilen würde, meinte der einstige bosnisch-serbische Präsident noch am Mittwoch.

„Wir wollen die Höchststrafe für Karadzic und die Anerkennung des Völkermordes“, sagte die Sprecherin von ehemaligen Gefangenen, Anida Kijnecnin der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Den Haag. Vor dem Gebäude des UN-Kriegsverbrechertribunals für das frühere Jugoslawien in Den Haag hatten sich Dutzende Menschen zu einer Mahnwache versammelt. Darunter waren ehemalige Gefangene serbischer Lager und Bürger belagerter bosnischer Städte.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) als oberste Rechtsinstanz der Vereinten Nationen stellte 2007 in Den Haag fest, dass das serbische Massaker im bosnischen Srebrenica 1995 ein Völkermord war. Serbien aber habe keinen Völkermord verübt.

Genozid als Tatbestand im Völkerrecht

Ein Genozid ist seit Inkrafttreten der "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" von 1948 ein Straftatbestand im Völkerrecht. Gemäß Artikel 2 der UNO-Konvention ist es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, "begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören". Dazu gehören neben der systematischen Tötung von Menschen auch das Verursachen schwerer körperlicher oder seelischer Leiden sowie das vorsätzliche Schaffen von Lebensbedingungen zur Zerstörung der betroffenen Minderheit. Auch die zwangsweise Geburtenverhinderung in dieser Ethnie oder Zwangsadoptionen von Kindern können den Tatbestand des Völkermordes erfüllen. Wer die Maßnahmen lediglich beabsichtigt, macht sich noch nicht schuldig. Wenn die Taten aber begangen werden, ist es für die Strafverfolgung unerheblich, wie viele Menschen davon betroffen sind.

Karadzic spricht von Übertreibung

Karadzic meinte vor der Urteilsverkündung, dass die Vorwürfe übertrieben seien. Es seien "nur einige hundert Personen erschossen worden", sagte er dem Internetportal BRIN am Mittwoch. "Keine Übertreibung kann uns helfen, Verständnis und Frieden unter uns zu errichten", sagte Karadzic mit Blick auf gesicherte Berichte, wonach in Srebrenica rund 8.000 Männer und Burschen massakriert wurden. Im Laufe des Prozesses behauptete Karadzic, dass auch jene Einwohner Srebrenicas zu den Opfern des Massakers gezählt worden seien, die in den Kämpfen mit bosnisch-serbischen Truppen ums Leben gekommen seien.

Der ehemalige EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, Erhard Busek (ÖVP), hat eine Versöhnung von Serben und Bosniern auch nach einem Urteil im Völkermord-Prozess von Srebrenica bezweifelt. Der Prozess habe nicht viel zum Versöhnungsprozess zwischen den Menschen beigetragen, sagte der frühere Vizekanzler am Donnerstag im Deutschlandradio.

Der serbische Nationalismus sei ungebrochen. "Der heutigen Generation sind die Geschehnisse von damals nicht mehr präsent", sagte Busek, der im Rahmen des Stabilitätspakts in den 1990er Jahren zwischen beiden Gruppen vermittelte.

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Kriegsverbrechertribunal fällt Urteil über Radovan Karadzic
Chronologie, Fotos Karadzic, Karte Srebrenica GRAFIK 0335-16, 88 x 178 mm

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