UNO-Tribunal fordert Auslieferung Seseljs

Vojislav Seselj, angeklagt wegen Kriegsverbrechen, weigert sich ins Tribunalgefängnis des Haager Gerichts zurückzukehren.
Der mutmaßlicher Kriegsverbrecher will nicht freiwillig zurückkehren.

Das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) hat Serbien aufgefordert, den wegen Kriegsverbrechen angeklagten Ultranationalisten Vojislav Seselj am heutigen Dienstag oder "sobald dies möglich ist" ins Gefängnis des Haager Gerichts zu überstellen. Dies berichtete heute, Dienstag, die regierungsnahe Tageszeitung Politika.

Die Anordnung des Berufungssenats des Haager Gerichts wurde laut übereinstimmenden Medienberichten dem serbischen Justizministerium am Montagnachmittag zugestellt. Seselj selbst war bereits am Freitag vom Haager Gericht unterrichtet worden, dass er bis zum heutigen Dienstag ins Tribunalsgefängnis zurückzukehren habe.

Er denke nicht daran, freiwillig zurückzukehren, bekräftigte der wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der nordserbischen Provinz Vojvodina angeklagte Seselj gegenüber Politika (Dienstag-Ausgabe).

Unangenehme Situation für Serbien

Nach Angaben von Sasa Obradovic, dem Rechtsberater der Regierung in der Causa Seselj, hat die Regierung zwar die Anordnung des Berufungssenats des UNO-Tribunals, allerdings nicht auch einen Haftbefehl erhalten. "Serbien hat keine Grundlage, Schritte vorzunehmen", erläuterte Obradovic. Er verwies Medien gegenüber auch auf eine "äußerst unangenehme Situation", in der die Regierung stecke. Ihre Standpunkte seien bei der Entscheidung des Tribunals über die vorläufige Freilassung Seseljs im November nicht berücksichtigt worden, und nun müsste sie Schritte zu seiner Rückkehr unternehmen.

Die Regierung werde alle Aspekte des Falls Seselj in Erwägung ziehen, ganz gewiss vom Tribunal auch zusätzliche Erläuterungen beantragen, bevor eine Entscheidung getroffen werde, erläuterte Vizepremier Rasim Ljajic gegenüber Politika. Der Vizepremier und Handelsminister ist seit Jahren für die Zusammenarbeit Belgrads mit dem Haager Gericht zuständig.

Vucic: "Unmoralisch"

Der serbische Premier Aleksandar Vucic, einst wie Präsident Tomislav Nikolic einer der engsten Mitarbeiter Seseljs, hat die Entscheidung des Tribunals-Berufungssenats unterdessen als "unmoralisch" und "nicht im Einklang mit den Rechtsnormen" bezeichnet, berichtete die Tageszeitung Blic.

"Wenn er die Chemotherapie abbricht, wer wird die Verantwortung tragen"

Die serbische Verfassung untersagt die Auslieferung eigener Bürger, das Gesetz zur Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal regelt andererseits die Überstellung der Angeklagten. Es sieht ein kurzes Verfahren vor, das bis zu fünf Tage dauern kann.

Seselj wurde im November aus "humanitären Gründen" freigelassen. Nach einem Eingriff wegen Darmkrebses waren beim Angeklagten auch Metastasen in der Leber diagnostiziert worden. Derzeit soll er einer Chemotherapie unterzogen werden, die Seselj bei einer eventuellen Rückkehr ins Tribunalsgefängnis nun zu unterbrechen droht. "Wenn er die Chemotherapie abbricht, wer wird die Verantwortung tragen", soll Vucic den Tribunalschefankläger Serge Brammertz, der sich derzeit in Belgrad aufhält, am Montag gefragt haben.

Nach seiner Rückkehr nach Belgrad sorgte Seselj mit provokanten Aussagen vor allem im benachbarten Kroatien für Aufregung. Die Ankläger hatten das ICTY am 1. Dezember aufgefordert, den Richterbeschluss rückgängig zu machen. Der darauf folgenden Forderung nach Übermittlung der Unterlagen über seinen Gesundheitszustand kam Seselj nie nach.

Seselj hatte sich im Februar 2003 freiwillig dem Tribunal gestellt. Mit einem Urteil wird ab August gerechnet.

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