Waffenstillstand in Mariupol, Ukraine schickt Busse aus Kiew

FILE PHOTO: A local resident stands next to the grave of his friend killed during Ukraine-Russia conflict in Mariupol
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij zeigte sich indes skeptisch über russische Zusagen einer Reduktion der Angriffe in der Nordukraine.

Tag 36 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:

Russland hat eine Feuerpause für die schwer zerstörte südukrainische Hafenstadt Mariupol angekündigt. Die Maßnahme werde am Donnerstag um 10.00 Uhr (9.00 Uhr MESZ) in Kraft treten und solle die Möglichkeit schaffen, Zivilisten über einen humanitären Korridor herauszuholen, erklärte das russische Verteidigungsministerium Mittwoch. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij zeigte sich indes skeptisch über russische Zusagen einer Reduktion der Angriffe in der Nordukraine.

Nordukraine: Kaum Entspannung trotz russischer Zusagen

"Damit diese humanitäre Operation erfolgreich ist, schlagen wir eine direkte Beteiligung von Vertretern des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vor", hieß es in der russischen Erklärung. Der humanitäre Korridor soll demnach über die unter russischer Kontrolle stehende Stadt Berdjansk ins 250 Kilometer entfernte Saporischschja führen.

Das Ministerium forderte die Regierung in Kiew auf, die "bedingungslose Einhaltung" der Feuerpause durch eine schriftliche Mitteilung an die russische Seite sowie das UNHCR und das IKRK zu bestätigen. Die ukrainische Armee müsse sich außerdem für die Sicherheit der Buskonvois, in denen die Zivilisten transportiert werden sollen, einsetzen.

Busse nach Mariupol

Nach der russischen Zusicherung für einen zwischenzeitlichen Waffenstillstand hat die ukrainische Regierung 45 Busse in die belagerte Hafenstadt Mariupol geschickt. "Wir tun alles Mögliche dafür, dass die Busse heute nach Mariupol gelangen und die Menschen abholen, die es noch nicht aus der Stadt heraus geschafft haben", sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Donnerstag in einer Videobotschaft.

Die Großstadt am Asowschen Meer ist seit Anfang März von russischen Truppen eingeschlossen. Ukrainischen Angaben zufolge sollen sich noch mehr als 100.000 Menschen in der schwer zerstörten Stadt befinden. Vor dem Krieg lebten dort knapp 440.000 Menschen. Die Bus-Kolonne solle auf dem Rückweg über das von Russen besetzte Berdjansk in das etwa 200 Kilometer entfernte Saporischschja fahren.

Zusätzlich seien zwei humanitäre Korridore in die ebenfalls von russischen Truppen besetzten Städte Melitopol und Enerhodar im Gebiet Saporischschja vereinbart worden. Den Evakuierungskolonnen aus den drei Städten können sich Menschen in Privatautos anschließen. "Unsere Militärs garantieren eine komplette Waffenruhe", betonte Wereschtschuk.

Selenskij skeptisch 

Der ukrainische Staatschef Selenskij sagte jedoch in seiner abendlichen Ansprache: "Wir glauben niemandem, keiner einzigen schönen Phrase".

Russische Unterhändler hatten nach den Verhandlungen in Istanbul am Dienstag erklärt, Moskau werde seine Angriffe auf Kiew und Tschernihiw im Norden "radikal" zurückfahren. Dennoch wurde der Beschuss in der Nacht fortgesetzt.

Pentagon: Teil-Truppenabzug aus Kiew

Der US-Regierung zufolge zog Russland einen kleinen Teil seiner Truppen rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew ab. "Wir haben in den letzten 24 Stunden gesehen, dass ein kleiner Prozentsatz der Truppen, die (...) Russland gegen Kiew in Stellung gebracht hatte, verlegt wurde, wahrscheinlich etwa 20 Prozent der Truppen", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby Mittwoch in Washington.

Auch von der Zone um die Atomruine Tschernobyl begann laut Pentagon der Abzug. Russische Soldaten würden die Gegend verlassen und in das benachbarte Belarus abziehen, so das US-Verteidigungsministerium. "Wir glauben, dass sie abziehen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, dass sie alle weg sind", sagte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wollte. Er sprach von einer "Neupositionierung" der Streitkräfte.

Auch Selenskij bekräftigte Angaben seiner Armee, dass sich die russischen Streitkräfte nur umgruppieren würden, damit sie in der Donbass-Region im Osten stärker angreifen können. "Wir werden nichts verschenken. Wir werden um jeden Meter unseres Territoriums kämpfen", warnte der Präsident.

Phosphorwaffen im Einsatz?

Die ukrainischen Behörden warfen Russland vor, erneut Phosphorwaffen in der Ostukraine eingesetzt zu haben. In der Kleinstadt Marinka hätten die von russischen Soldaten eingesetzten Waffen "ein Dutzend Brände" verursacht, erklärte der Chef der Militärverwaltung der Region Donezk, Pawel Kyrylenko. Die Behörden sprachen von weiteren Luftangriffen auf die Orte Heorhijiwka, Nowokalinowo und Otscheretyne. Bei einem Angriff auf das Dorf Sloboschanske bei Charkiw wurden demnach eine Frau und ihr elfjähriger Sohn getötet.

Raketenangriffe gab es nach Behördenangaben zudem auf eine Fabrik in Nowomoskowsk sowie auf ein Öldepot in der wichtigen Industriestadt Dnipro. Opfer wurden von dort nicht gemeldet.

In Mariupol wurde nach ukrainischen Angaben ein Gebäude des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) Ziel russischer Luftangriffe. Ein Sprecher der Organisation in Genf konnte jedoch keine Angaben dazu machen, da kein Personal vor Ort sei.

Mariupol ist seit Wochen von jeglicher Versorgung abgeschnitten und wird von den russischen Streitkräften heftig beschossen. Tausende Menschen sind bereits gestorben.

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