Kreml-Chef Putin hat die Welt in Händen – und Troubles daheim

Ein erratischer US-Präsident, ein selbstbeschäftigtes Europa – Russlands Präsident kann fast ungestört agieren. In der Heimat aber lauern einige Stolpersteine.

Machtdemonstrationen des Kreml verlaufen nach einem routinierten Zeremoniell, eine Mischung aus Großmachtästhetik und Hemdsärmeligkeit. Zu letzterem zählte ein Auftritt des Präsidenten Wladimir Putin zusammen mit Langzeit-Premierminister und Zwischendurch-Platzhalter im Präsidentenamt, Dmitri Medwedew, auf Franz-Josef-Land. Die Staatsspitzen in Daunenjacken. Ein Bild davon landete im Account Medwedews auf Twitter. Und die Reaktionen darauf offenbaren eines: Es gärt und brodelt. "Schleicht euch" oder "bleibt doch einfach dort", waren noch mildere Reaktionen auf das an sich unverfängliche Bild. Immer wiederkehrend auch der Vorwurf der Korruption gegen beide Politiker. Dazwischen einige, aber nur sehr wenige Huldigungen.

Dabei hat sich der Kreml-Chef die Welt in den vergangenen Jahren zum eigenen Wohlgefallen zurecht gerichtet. Die Ukraine strauchelte auf ihrem Weg nach EU-Europa, dafür feiert der Kreml die Annexion der Krim bei jeder Gelegenheit als das Selbstverständlichste der Welt. Die dafür eingefangenen Sanktionen des Westens hat Putins Russland längst verkraften gelernt (siehe Bericht rechts).

Unfrieden säen

Die EU wiederum beschäftigt sich vornehmlich mit sich selbst, nagt am Austritt Großbritanniens und am Erstarken von Rechtspopulisten, die ein Faible für Wladimir Putin haben – aus dessen Reich Wort- und auch Geldspenden an Medien und Parteien das Ihrige dazu tun. Die USA sind unter Donald Trump programmatisch mit sich selbst beschäftigt ("America first") und gleichzeitig mit dem erratischen Präsidenten – Gegenwind von dort ist wenig zu erwarten, im Gegenteil: In Syrien, wo Moskau längst das Ruder übernommen hat, nähern sich die USA an den russischen Kurs bereits an.

Einzig mit der als Gegenmodell zur EU formierten Eurasischen Union läuft es nicht rund. Vor allem wegen eines Umstandes: Es herrschen unterschiedliche Vorstellungen über die Gewichte in der Union. Während Weißrussland und Kasachstan sich als Partner auf Augenhöhe mit Russland verstehen wollen, sieht das Moskau ganz anders.

Rückkehr zur Großmacht

Insgesamt könnte Putin aber zufrieden sein, wie er sich 100 Jahre nach der russischen Revolution die Welt herrichtet und mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion den Traum von der weitgehend ungestörten Rückkehr zur Großmacht erfüllt. Härte und Abschottung nach außen, Säen von Misstrauen gegen aus Sowjetzeiten bekannte äußere Feinde (USA, Spione, Faschisten), Patriotismus nach Innen – das hat Putin hohe Umfragewerte beschert. Er muss sich keine Sorgen darum machen, 2018 als Präsident wieder gewählt zu werden.

Die Wahl aber ist nicht eine Frage der Mehrheit, sondern einer überwältigenden Mehrheit. Der Wahlkampf wirft Schatten voraus – und Beobachter sehen durchaus Entwicklungen, über die Putin die Kontrolle verlieren könnte.

So ist es bei aller kommunizierter Nähe zu Trump durchaus möglich, dass die Rechnung des Kreml nicht aufgeht. Die Russland-Kontakte des neuen US-Präsidenten und die dubiosen Geschäfte Russlands mit Trump sind nicht nur kein Ruhmesblatt, weder für Trump noch für Putin – sie könnten sich am Ende auch noch als Fallstrick für Trump erweisen.

Nicht zuletzt aber formiert sich interner Widerstand. Die Proteste der vergangenen Woche sowie die zunehmend grantigen Antworten auf Twitter-Posts der Staatsspitze haben gezeigt, dass durchaus wachsender Unmut vorhanden ist – wegen der wirtschaftlichen Schieflage, der Korruption, der Isoliertheit. Vor allem aber: Dass sich dieser Widerstand durchaus auf der Straße manifestieren kann.

Inhaftiert, erschossen

Eine Führungsperson hat diese Opposition allerdings nicht. Wenn es eine vereinende Figur gäbe, so wäre das Alexej Nawalny, der in einem Video weitreichende Korruption vor allem Medwedews angeprangert hatte – um dann bei den jüngsten Protesten als einer der ersten festgenommen zu werden. Detail am Rande: Auch er wollte 2018 für die Präsidentschaft antreten. Und der Zweite, der als vereinende Person in Frage gekommen wäre, ist tot: Boris Nemzow, erschossen 2015 in Sichtweite des Kreml durch Mörder aus dem Umfeld des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow.

Experten vom Think tank "Carnegie Moskau" sehen in diesem Mord einen Wendepunkt. Denn wenn Putin eines nicht gebrauchen kann, dann sichtbaren Kontrollverlust. Oder Regionalfürsten, die kecke Forderungen an Moskau stellen. Oder Oligarchen, die auf eigene Faust agieren – alles passiert in der jüngeren Vergangenheit.

Die Welt zu Hause in der Hand zu behalten, das ist für Wladimir Putin fast drängender, als die große neu zu schaffen.

Die Gerüchte, dass Wladimir Putin wohl einer der reichsten Männer Russlands oder weltweit sei, bekamen neue Nahrung, als der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny in einem Video den gigantischen Immobilienbesitz von Putins rechter Hand, Premier Dmitri Medwedew, ins Netz stellte.

Dafür wurde er vergangenen Sonntag verhaftet, als Zehntausende in 100 Städten gegen die Korruption der Elite demonstrierten. Nawalny wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt, weil er zu den Protesten aufgerufen hatte. Dementiert wurde das Video nicht, der Anwalt und Blogger hatte Drohnen eingesetzt, die die gigantischen Latifundien Medwedews von oben filmten.

Wieso soll der Chef ärmer sein als seine rechte Hand?

Uhrensammlung

Der amerikanische Hedgefonds-Gründer und ehemalige Putin-Vertraute William Browder schätzte in einem Interview mit CNN Putins Vermögen auf 200 Milliarden Dollar. Auch wenn diese Summe ein wenig übertrieben scheint, Bill Gates hat ja nur 80 Milliarden. Browder jedenfalls galt viele Jahre lang als absoluter Insider. Ein bisschen billiger gibt es die Russland-Expertin Karen Dawisha von der Miami University in Ohio: Sie taxiert Putins Vermögen auf 40 Milliarden Dollar, da wäre er nur halb so reich wie Bill Gates. Dawisha behauptet, dass alleine die seltene Uhren-Sammlung des Herrschers im Kreml 700.000 Dollar wert sei.

William Browder wurde zum engen Putin-Freund, als dieser durch die Jelzin-Familie zum Kreml-Boss aufstieg. Browders Hermitage-Investments in Russland beliefen sich nach Recherchen der Welt zeitweilig auf bis zu vier Milliarden Dollar.

Schweizer Konten?

Schon nach fünf Jahren war das Spiel aus. Der Putin-Freund fiel 2005 in Ungnade, seine russischen Firmen wurden wegen Steuerhinterziehung liquidiert und sein Anwalt starb unter ungeklärten Umständen in der Haft.

So gesehen ist es nur logisch, dass Browder zum erbitterten Gegner des Präsidenten geworden ist. Er spricht davon, dass Putin Flugzeuge, Jachten und Paläste sein Eigen nennt. Daneben soll er Unsummen auf Konten in der Schweiz und in Liechtenstein haben. In den Panama-Papers taucht Putins Jugendfreund, der Cellist Sergei Roldugin, auf. Für Nawalny ist er einer der wichtigsten Strohmänner des Präsidenten. Er besitzt Firmenanteile mächtiger Oligarchen und erhielt offenbar Kredite, die nie zurückgezahlt werden müssen.

Wladimir Putin hält das Gerede über große persönliche Reichtümer für "Müll". Er beschimpfte Journalisten: "Sie nehmen alles aus der Nase von irgendjemanden und schmieren es in ihre kleinen Zeitungen."

Weingut in der Toskana

Nicht in Zeitungen , sondern auf YouTube dokumentierte hingegen Nawalny den Prunk von Premier Medwedew. Die eingesetzten Drohnen zeigen unter anderem zwei Palais in St. Petersburg direkt an der Newa. Die edelen Bauten aus der Zarenzeit wurden in Luxus-Appartements unterteilt. In der Stadt verbringt der Regierungschef gerne die so genannten Weißen Nächte (um die Sommersonnenwende) auf einer seiner beiden dort stationierten Yachten.

Außerhalb Moskaus steigt der Premier in seiner Datscha ab. Diese verfügt über einen eigenen See mit Booten, einem Herrenhaus, Nebengebäude für Bedienstete und ein Schwimmbad. Angereist wird per Hubschrauber, ein eigener Landeplatz wurde eingerichtet. Das weitläufige Anwesen ist übrigens ein Geschenk des Oligarchen Alischer Usmanow, dem Generaldirektor einer Gazprom-Tochter.

Neben einer Großfarm im Heimatort des Regierungschefs mit zehntausenden Hektar bleibt da noch das Weingut in der Toskana (100 Hektar), das 53 Millionen Dollar gekostet haben soll.

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