Die Suche nach einem Papst, der Wunden heilt

Mehrere Kardinäle in roten Kutten haben sich versammelt
Ab heute wählen 133 Kardinäle das katholische Kirchenoberhaupt. Die Anforderungen an den neuen Papst sind hoch: Er muss die Kirchenspaltung überwinden und den Vatikan aus einer Finanzmisere befreien.

Eine letzte Ruhepause wird ihnen nach der Heiligen Messe am Morgen noch zugestanden. Ab 16.30 Uhr endet für die Kardinäle am heutigen Mittwoch dann aber (vorerst) ihre Zeit in Freiheit: Nach dem Ruf „extra omnes“ („alle hinaus!“) bleiben die Papstwähler alleine in der Sixtinischen Kapelle zurück.

Das Konklave beginnt – und endet erst, wenn das neue Oberhaupt über 1,4 Milliarden Katholiken gewählt ist.

Beobachter rechnen damit, dass das Konklave nicht allzu lange dauern wird. Spätestens kommende Woche, vielleicht noch diese, dürfte der neue Papst feststehen. Klar ist jedenfalls, dass das umfangreiche „Vorkonklave“, also die Beratungen im Vorfeld der eigentlichen Wahl, Raum für Ränkespiele und erste Allianzen geboten hat. Aber auch die inhaltlichen Diskussionen – theologischer wie politischer Natur – liefen offenbar so intensiv ab wie lange nicht mehr. Die Kirche steht am Scheideweg, das merkt man derzeit mehr denn je.

Qualifiziertes Rätselraten

Wer Franziskus auf dem Stuhl Petri nachfolgt, darüber lässt sich munter spekulieren. Zuletzt häuften sich erneut Vermutungen, dass sich ein aussichtsreicher Kandidat aus dem asiatischen Raum findet. Mehr als qualifiziertes Rätselraten ist all das aber nicht.

Viel klarer ist das Anforderungsprofil an den Nachfolger von Franziskus – auf wen auch immer die Wahl fällt.  Immerhin ist der Papst nicht nur spiritueller Führer, sondern vielmehr Staatsoberhaupt und – ganz profan gesehen – der Chef eines weltumspannenden Machtapparats, der in 189 Ländern präsent ist.

„Es gibt weltweit kein Regierungsamt, das komplexer ist als  das Papstamt“, sagt Ludwig Ring-Eifel im Gespräch mit dem KURIER. Der Vatikan-Korrespondent der Kathpress gilt als einer der profundesten Kenner der Materie. Worin also liegen die ersten Herausforderungen, die der neue Papst zu meistern hat?

„Es gibt weltweit kein Regierungsamt, das komplexer ist als das Papstamt. 
Der neue Papst erbt einige Probleme.“  

von Ludwig Ring-Eifel, Vatikan-Experte

Sorgen um das liebe Geld

Zuallererst plagen die Kirche höchst weltliche Sorgen: Es geht, wie so oft, ums liebe Geld. „Die Finanzsituation des Vatikan ist eines der drängendsten Probleme“, so Ring-Eifel. Seit mehr als zwei Jahren hat der Vatikan keinen ordentlichen Haushalt mehr veröffentlicht; das strukturelle Defizit dürfte aber bei rund 80 Millionen im Jahr liegen.

Noch vom Krankenbett aus mahnte Franziskus im Vorjahr zur Sparsamkeit – und ließ eine eigene Kommission einrichten, die sich verstärkt um das Fundraising kümmern solle. Die finanzielle Sanierung des Vatikans blieb unvollständig. „Dieses Problem wird der neue Papst von Franziskus erben“, sagt Ring-Eifel. Und die Zeit dränge: Wenn die Finanzen nicht in Ordnung gebracht werden, drohen Kündigungen beim Personal. Rund 5.000 Angestellte gibt es im Vatikan; das Geld für Gehälter und Pensionszahlungen geht langsam zur Neige. Anders als andere Staaten hat der Vatikan seit dem 20. Jahrhundert keinen Zugang mehr zum internationalen Kapitalmarkt, um sich dort über Staatsanleihen zu finanzieren.

Doch auch inhaltlich warten auf den Pontifex heikle Themen. Etwa die Frage, wie er – weltweit – mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen umgeht: „Franziskus hat hier viel Gutes begonnen, aber nicht konsequent durchgezogen“ – etwa mit Blick auf die einheitliche Bestrafung der Täter. „Dieses Problem muss mit neuem Schwung und neuer Härte angegangen werden.“

Eine Pendelbewegung

Das große Thema, das auch das Vorkonklave überschattet hat, ist jenes der Spaltung der Kirche, die sich auch durch die Reihen der Kardinäle zieht. Eine Konfliktlinie verläuft seit jeher zwischen Traditionalisten (gerne Konservative genannt) und  Liberalen – zuletzt sind die Gräber tiefer geworden. Ein Versäumnis von Franziskus?  Ja, aber nicht nur.

Ring-Eifel setzt in seiner Analyse weit früher an: „Während Franziskus die Traditionalisten arg verprellt hat, war es zuvor Benedikt, der die Liberalen vor den Kopf gestoßen hat“, sagt er. „Unter den beiden Päpsten ist das Pendel zuerst in die eine Richtung, dann in die andere Richtung ausgeschlagen.“ Übrig geblieben seien „Verletzungen“, sagt Ring-Eifel. „Derzeit fühlen sich die Traditionalisten maximal noch geduldet.“

Wie ernst das Thema ist, zeigt sich an den offenen Worten, die aus den Vorberatungen der Kardinäle nach außen gedrungen sind: In mehreren Redebeiträgen sei die Polarisierung in der Kirche und der Gesellschaft als „offene Wunde“ bezeichnet worden, berichtet Vatikansprecher Matteo Bruni. „So drastische Formulierungen wählen Kardinäle normal nicht“, sagt Ring-Eifel.

Ein Jahr Schonfrist 

Die gute Nachricht für den neuen Pontifex: Er hat für all das länger Zeit als eine weltliche Regierung. „Während man Politikern nur rund 100 Tage zugesteht, hat ein Papst üblicherweise eine Schonfrist von einem Jahr“, sagt Ring-Eifel. Auch wichtige Posten müsse er nicht sofort neu besetzen.

Wenn der neue Papst das will, gilt der Grundsatz „donec aliter provideatur“ – heißt: Bis der Papst anders entscheidet, werden alle Würdenträger aus dem letzten Pontifikat erst einmal provisorisch im Amt bestätigt. Das trifft meist sogar auf den mächtigen Kardinalstaatssekretär zu, der die Geschäfte weiterführt. (In diesem Fall ist dies Kardinal Petro Parolin – der aber selbst als Favorit unter den Papabili geführt wird.) Ring-Eifel: „Der Vatikan ist ein Machtapparat, der wie eine gut geölte Maschine funktioniert.“

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