Als würde ein Verstorbener friedlich schlafen
Ausschlaggebend ist ein mit Formaldehyd versetztes Mittel, das literweise in den Blutkreislauf eingeführt wird, erklärt Thanatopraktiker Andreas Nevrivy von der Bestattung Wien. „Wie bei einem Dialysepatienten. Nur wird das Blut nicht gegen frisches Blut getauscht, sondern gegen das Mittel.“ Es ist die gängigste Methode, um Verstorbene zu konservieren bzw. einzubalsamieren.
Die Dosis wird anhand des Gewichts und der Körpergröße berechnet. Sie stoppt den Verwesungsprozess, sorgt dafür, dass der leblose Körper, der an Wasser verloren hat, wieder an Volumen gewinnt, fester wird und, wenn man sich nicht verkalkuliert, natürlich und friedlich schlafend aussieht. „Je höher ich dosiere, desto länger lässt sich ein Mensch haltbar machen“, sagt Nevrivy.
Er könne sogar Jahre herausholen, sofern das Formaldehyd pur verabreicht werde, erklärt er. „Aber das ist nicht Sinn und Zweck der Sache.“ Nur bei Überführungen ins Ausland wäre es manchmal notwendig, einen Körper über Monate hinweg zu erhalten. Im Fall des verstorbenen Papstes genügen die wenigen Tage bis zur Bestattung. Für einen geübten Thanatopraktiker keine Herausforderung.
Unangenehme Details: Auch das passiert bei einer Thanatopraxie
Denn nicht nur im Vatikan, auch in Österreich verabschieden sich Menschen regelmäßig am offenen Sarg. Rund eine Thanatopraxie pro Tag führt die Bestattung Wien durch, sofern von Angehörigen gewünscht. Kosten: 760 Euro.
Andreas Nevrivy ist einer von fünf Thanatopraktikern beim städtischen Bestatter, machte seine einjährige Zusatzausbildung an der Anatomie in Graz. Dort lernt man alles – von der Chemie über den Körper bis hin zu Religion und Nahttechniken. „Man muss wissen, wie man Körper wiederherstellt“, so Nevrivy. Schließlich kommen nicht alle in einem Stück.
„Es ist eine Tätigkeit, die viel Praxis braucht“, sagt er. Bis ein Verstorbener friedlich im Sarg gebettet ist, sind neben der Konservierung zahlreiche weitere Schritte zu setzen. Die sind kein Geheimnis, aber nur den wenigsten Angehörigen oder Trauernden in ihrer Deutlichkeit zuzumuten. Weshalb an dieser Stelle eine kurze Warnung folgt – es geht nun ins Detail.
Da der Körper nach seinem Tod nicht nur an Flüssigkeit verliert, sondern auch die Muskulatur erschlafft, muss der Mund mittels Kieferligatur verschlossen werden. Anders ausgedrückt: Am inneren Unterkiefer wird eine Schlaufe angebracht, um den Mundinnenraum zu vernähen.
Auch Körperöffnungen werden mit Watte verschlossen, um Flüssigkeiten oder Gerüche daran zu hindern, auszutreten. Der letzte Feinschliff ist das Ankleiden, gefolgt von einem natürlichen Make-up, um die gräuliche Hautfarbe zu überdecken. Bis zu einem ganzen Arbeitstag braucht ein erfahrener Thanatopraktiker für das gesamte Prozedere – je nachdem wie früh und in welchem Zustand der Verstorbene bei ihm ankommt.
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