Skandalnacht: "Gravierende Fehler" bei der Polizei
Als Ralf Jäger am Montagvormittag auf die Befragung durch den Landtag wartet, ist ihm die Nervosität anzusehen. Mit ernster Miene blättert der Innenminister Nordrhein-Westfalens in dem 27-seitigen Lagebericht, der vor ihm liegt. Er soll erklären, was sich so viele fragen – warum in der Skandalnacht von Köln so viel schieflief.
"Das Bild, das die Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist inakzeptabel", sagt er gleich zum Auftakt. Er lässt keinen Zweifel daran, wer für ihn die Verantwortung trägt – nicht er selbst, der zuletzt für seine Zurückhaltung massiv kritisiert worden war, sondern die Polizei in Köln. Deren Chef Wolfgang Albers hat Jäger bereits vergangene Woche in die Pension geschickt. Albers ist es auch, dem Jäger nun zwei "gravierende Fehler" anlastet: Zum einen, dass keine zusätzlichen Kräfte angefordert wurden, obwohl Beamte zur Verfügung gestanden seien. Zum anderen geißelt er die Kommunikation der Behörde. Dass man nicht gleich publik gemacht habe, dass Flüchtlinge unter den Verdächtigen seien, sei aus "falsch verstandener politischer Korrektheit" geschehen – die sei fehl am Platz.
Kein Maulkorb-Erlass
Vom Vorwurf, dass dieser Maulkorb möglicherweise von ihm selbst erlassen worden sei, will Jäger nichts wissen. Er versucht ihm deshalb mit nüchternen Zahlen entgegenzutreten. Mehr als 500 Anzeigen seien bisher eingegangen, listet er auf, 237 davon beträfen Sexualstraftaten. Und ja, die Verdächtigen seien "fast ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund", bestätigt er. 23 Personen stünden auf der Liste, allesamt keine Deutschen, zehn davon Asylwerber. Das Gros stamme aus Marokko und Algerien, in Köln wohnhaft sei aber keiner gewesen – ein Indiz dafür, dass die Sache akkordiert gewesen sei? "Nein", sagt Jäger, darauf habe man immer noch keine Hinweise. Was man aber wisse, ist dass die Verdächtigen betrunken und völlig enthemmt gewesen seien. "Nach dem Alkohol- und Drogenrausch kam der Gewaltrausch. Und es gipfelte in der Auslebung sexueller Allmachtsfantasien", sagt Jäger. "Wir müssen sehen, dass so etwas möglichst nie wieder passieren wird."
Drittes Asylpaket
Das Ziel, potenzielle Täter abzuschrecken, verfolgt man auch eine Ebene höher – nur wie, ist in Berlin noch nicht ganz entschieden. CDU und SPD haben sich neben einer Verschärfung des Sexualstrafrechts auch für ein weiteres Asylpaket starkgemacht. Beinhalten soll es schnellere Abschiebungen von verurteilten Asylwerbern und eine Wohnsitzauflage; damit will man Gettobildungen in den Städten vermeiden, so SPD-Vizekanzler Gabriel.
Doch so einfach dürfte ein Konsens nicht zu finden sein. Während letzterer Punkt leicht durchsetzbar scheint, dürfte die Verschärfung der Abschieberegelungen Probleme machen: Bisher gilt die sofortige Ausweisung bei schweren Straftaten; so mancher in der SPD rechnet damit, dass eine Ausweitung auf kleinere Delikte EU-Recht und die Genfer Konvention berührt. Dazu kommt, dass die schon bisher recht scharfen Abschiebe-Regelungen oft an der Realität scheitern: Durch den massiven Stellenabbau bei der Polizei fehlen Beamte für den Vollzug – allein in Nordrhein-Westfalen wurden seit 1998 3200 Stellen gestrichen.
Bemerkbar wird das übrigens auch in der Bekämpfung anderer Straftaten – etwa in Köln: Dort hat die Polizei derzeit nicht nur mit der Aufklärung der Vorfälle von Silvester zu tun, sondern auch mit eskalierenden Pegida-Demos und rassistischen Angriffen auf Ausländer. Am Sonntag überfielen 20 Hooligans eine Gruppe Syrer und Iraker – sie hatten sich zuvor im Internet zur "Selbstjustiz" verabredet (mehr dazu hier).
Pegida und Co. hatten auch am Montagabend wieder Arbeit für die Polizei: Am Gründungstag des Leipziger Ablegers Legida versammelten sich in der Stadt Hunderte Anhänger. Leipziger Bürger wollten ihnen aber nicht das Feld überlassen und bildeten auf dem Innenstadtring eine Lichterkette gegen Ausländerhass.
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