Erfolg: 26. Klimagipfel endet mit „viel Licht und ein paar Schatten“

Erfolg: 26. Klimagipfel endet mit „viel Licht und ein paar Schatten“
Samstagabend schafften die Politiker endlich ein Ergebnis. Das vorliegende Abschlussdokument bewertet Ministerin Gewessler positiv.

Der Präsident des UN-Klimagipfels in Glasgow, Alok Sharma, hat zu Beginn des Plenums den Delegierten gedankt, die COP26 sei jetzt beim „Moment der Wahrheit“ angelangt.

Am Ende hatte er Tränen der Scham in den Augen.

Nach über drei Stunden Verspätung konnte er am Samstagnachmittag endlich das Wort ergreifen und betonte die unterschiedlichen Prioritäten der Staaten. Man wisse, dass man bisher mit den Ambitionen hinter den Pariser Verträgen liegen würde, aber mit dem aktuellen Entwurf könne man die Umsetzung bewirken.

Der Text sei aber „ehrgeizig und ausgewogen“ und daher für alle akzeptabel. Zentrale Streitpunkte waren bis zuletzt Klimahilfen für arme Staaten und die Forderung nach einem Kohleausstieg

Nach zahlreichen Wortmeldungen, die oft kritisch waren, etwa von den Malediven, deren Überleben mit diesem Beschluss nicht gesichert ist, aber von keinem Land den Kompromiss infrage gestellt wurden, konnte Sharma das erfolgreiche Ende der Konferenz verkünden.

Dann kam eine bittere Pille ganz zum Schluss.

Indien, aber auch andere Staaten, wollten in letzter Minute noch eine grundsätzliche Änderung des Gipfelbeschlusses. Statt "phasing out", also einem Ende, der Kohlekraft, steht nun "phasing down", also Verringern. 

Für Sharma, der wie ein britischer Sir die Verhandlungen geleitet hatte, war der Kompromiss besonders bitter. Er entschuldigte sich unter Tränen bei den Delegierten für die last-minute-Entscheidung. Für ihn war es wohl keine Option, deshalb den ganzen Gipfel mit den sonst guten Beschlüssen scheitern zu lassen. Sharma meinte, es tue ihm „zutiefst leid“, wie das Treffen mit den in letzter Minute vorgenommenen Änderungen an der Formulierung über Kohle zu Ende gegangen sei

Wie lässt sich der Erfolg eines Klimagipfels beurteilen?

Also: Gibt es jetzt verbindliche Regelungen, mit denen die Treibhausgase rasch minimiert und das Klima damit stabilisiert werden?

Die Antwort lautet: Nein. Und dennoch lässt sich mit einiger Sicherheit sagen: Der 26. UN-Klimagipfel in Glasgow wurde ein Erfolg. Die Entscheidung fiel gegen 20:00 Uhr britischer Zeit.

Erfolg?

Das hat erstens mit dem Elefanten im Raum zu tun: So unverständlich, wie das für die meisten Bürger wohl ist, gab es bisher bei keinem der 25. vorangegangenen Klimagipfel ein Bekenntnis für ein Ende der fossilen Energieträger wie Gas, Öl und Kohle. Obwohl diese ja der eigentliche Grund sind, warum es die für die Menschheit lebensbedrohliche Klimaerwärmung überhaupt gibt.

Im Abschlussdokument dieser Klimakonferenz werden die Fossilen aber erstmals mit Namen genannt: Dass es ein Auslaufen - oder eben jetzt nur ein "Verringern" -  der Kohlekraft geben soll. Und dass die Staaten die „ineffiziente Förderung“ fossiler Brennstoffe beenden sollen. Auch wenn dafür nicht einmal ein Datum genannt wird.

Öl als Wirtschaftsmotor

Um zu verstehen, warum bisher nicht ganz klare und deutliche Ziele verabschiedet werden konnten, muss man wissen: Viele Länder haben als Haupteinnahmequelle den Verkauf fossiler Energieträger, Saudi-Arabien etwa, die Golfstaaten oder Russland. Aber selbst demokratische Industriestaaten wie Australien wollen nicht auf Einnahmen ihrer Kohle verzichten. Diese sind zweifellos die „Bösen“ der Klimakonferenz, die ambitionierte Ziele verhindern. Da aber Entscheidungen im Konsens getroffen werden müssen, und jeder Staat ein Veto hat, wird klarer, warum der Elefant bisher nie mit Namen genannt wurde. Und warum es ein Erfolg ist, dass das jetzt erstmals der Fall ist.

Das Paris-"Rulebook" ist fertig

Zweitens zeichnet sich eine Lösung ab zu den beim Pariser Klimaabkommen offengeblieben Fragen. Da geht es um zahlreiche technische, aber enorm wichtige Regeln, etwa wie Emissionen eigentlich verbucht werden, wie der Handel mit Verschmutzungsrechten aussehen soll, und wie die Klimafinanzierung gestaltet wird. Dabei geht es gesagt darum, dass die für die Klimaerwärmung verantwortlichen Industriestaaten für die armen Länder, die kaum Treibhausgase emittiert haben, Förderungen und Kredite geben, damit diese ihre Länder an die Folgen des Klimawandels anpassen können (z.B. Hochwasserschutz) oder grüne Technologien zur Emissionsvermeidung (Photovoltaik statt Kohlekraft) bezahlen können. Sogar das total umstrittene Kapitel „loss and damage“, wo es um Geld für unwiederbringliche Klimaschäden geht, ist Teil des Schlussdokuments.

Das 1,5°C-Ziel ist noch am Leben

Somit ist auch das inoffizielle Motto der Klimakonferenz, Maßnahmen zu finden, damit das Ziel einer maximalen Erwärmung von 1,5°C bis 2100 am Leben bleibt, erfüllt.

Auch wenn das Ziel bildlich gesprochen auf der Intensivstation liegt.

Klimaministerin Gewessler zeigte sich optimistisch: Für sie habe das Abschlussdokument „viel Licht und ein paar Schatten“. 

Umwelt-NGO sind sehr unzufrieden

Gewessler früherer Arbeitgeber Global2000 sah das Ergebnis weniger positiv:

Die Klimakonferenz gebe für die Umweltschutzorganisation "keine Antwort auf die weltweite Klimakrise": „Die Beschlüsse hier sind zahnlos, schöne Worte reichen nicht, um die Klimakrise zu lösen. Wir sind nach der Klimakonferenz in Glasgow noch immer auf direktem Weg in die Klimakatastrophe. Statt die Klimapläne verbindlich nachzubessern und hilfsbedürftigen Menschen im globalen Süden zur Seite zu stehen, werden wichtige Beschlüsse über finanzielle Zusagen weiter auf die lange Bank geschoben. Die Klimakrise ist ein planetarer Notfall, wird aber von vielen Staaten weiter so behandelt als hätte man Jahrzehnte Zeit“, fasst Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000, die Ergebnisse zusammen. 

Für Greenpeace ist das Ergebnis "nicht mehr als ein fauler Kompromiss". Echter Klimaschutz sei verwässert worden. Auch Umweltministerin Leonore Gewessler, die für die EU die Verhandlungen in dieser Sache führte, habe ihr Versprechen, Schlupflöcher beim Emissions-Handelssystem zu schließen, nicht gänzlich halten können.

Auch die Umweltschutzorganisation WWF Österreich zeigt sich enttäuscht vom "insgesamt ambitionslosen Ergebnis der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow. „Damit bleibt die Welt meilenweit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt. Der Verhandlungstext beinhaltet zwar einige Überraschungen, wie zum Beispiel die erstmalige Erwähnung der Bedeutung des Schutzes und der Wiederherstellung der Natur – von vielen weiteren großen Ankündigungen ist am Ende aber nicht viel übriggeblieben“, kritisiert Klimaexpertin Lisa Plattner, die den WWF Österreich in Glasgow vertreten hat und im Ergebnis und anders als Gewessler “viel Schatten und wenig Licht” sieht. 

Und für Martin Krenn, Sprecher der Allianz für Klimagerechtigkeit,  hat das erste persönliche Zusammentreffen der Klimaverhandler seit fast zwei Jahren den multilateralen UN-Prozess einen wichtigen Schritt voran gebracht. Die Enttäuschung vieler Beteiligter sei dennoch groß: "Dringende Nachbesserungen der nationalen Klimaziele sind absehbar aber alarmierend langsam. Die gemeinsame Verantwortung und finanzielle Unterstützung zwischen den Staaten bleibt hinter den Versprechungen zurück. Und insbesondere die unschuldigen Opfer der Klimakrise sind von der Staatengemeinschaft im Stich gelassen worden. Ein vermeintlicher Hoffnungsschimmer, das Ende der Kohle, wurde auf den letzten Metern zerstört. Zurück bleibt das Signal, dass öffentliche Gelder für fossile Energie keinen Platz in der Zukunft haben."

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