Klima-Countdown #4: Einigung mit 195 Staaten

The 465-foot superyacht "Nord", owned by the sanctioned Russian oligarch Alexey Mordashov is seen docked, in Hong Kong
In 26 Klimakonferenzen wurden bisher nie die eigentlichen Ursachen der Klimakrise im Schlussdokument genannt. Warum ist das so?

Die Weltklimakonferenz in Ägypten muss aus Sicht von Außenministerin Annalena Baerbock Signale für den Abschied von Kohle, Öl und Gas setzen.

Signale für den Abschied von Kohle, Gas und Öl? Ja, worum soll es bei den Klimakonferenzen denn sonst gehen? Wir haben doch längst die absolute wissenschaftliche Gewissheit, dass die Klimakrise durch das Verbrennen der fossilen Brennstoffe ausgelöst wird.

Und trotzdem hat Frau Baerbock leider recht. Ich weiß, es ist schwer zu glauben: Aber noch in keinem Schlussdokument in einer der 27 bisherigen Klimakonferenzen wurde das mit den fossilen Brennstoffen auch nur erwähnt! Es wird schon irgendwann passieren, irgendwann wird in einem Schlussdokument stehen, dass es ein „phasing out“, ein Auslaufen der Nutzung von fossilen Brennstoffen geben wird. Aber bisher noch nicht, und wohl auch nicht bei dieser 27. Klimakonferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh.

Der Grund, warum in den tausenden Seiten Dokumenten der zentralste aller Punkte nicht drinnen war, ist einfach erklärt. Die UNO-Regeln erfordern Einstimmigkeit über Gipfelbeschlüsse. Und da gibt es eben einige Staaten, die ganz sicher nichts von einem Ende der Fossilen lesen wollen.

Allen voran die Öl-Staaten, die sich schon lange und derzeit ganz besonders Unmengen an Geld damit verdienen. Dass das Geld nicht unbedingt immer für das Wohl des Volkes angelegt wird, zeigt eine interessante Seite auf Wikipedia. Jene der längsten Motoryachten der Welt. (LINK)

Die Boote gehören absteigend: Dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, dem Sultan von Oman, Herrn Roman Abramowitsch, dem Herrscher des Emirats Dubai, einem Mitglied der Herrscherfamilie von Abu Dhabi. Und so weiter. Und solange wir Industrienationen so sehr vom Erdöl und Erdgas abhängig sind, werden die Boote wohl noch länger werden. Aber somit ist wohl klar, warum noch immer nix dasteht vom absehbaren (2050 und später) Ende der Fossilen. Die Welt tankt täglich rund 90 Millionen Barrel Erdöl. (Ein Barrel hat 159 Liter).

Und nun nur noch der Form halber: Wie verhandelt eine Klimakonferenz? Wie wird man sich mit den Vertretern von 195 Staaten einig?

Im Plenum einer Klimakonferenz, wo alle Delegierte sitzen, wird selten Konkretes verhandelt. Hier geht es nur mehr um Ja oder Nein, wird ein Schlussdokument angenommen –  oder nicht.

Tatsächlich laufen Verhandlungen auf Weltebene so ab:

Staaten haben zwar immer eigene Ziele, aber durchaus gemeinsame Interessen. So kommt es, dass sich bei Klimakonferenzen eigene Verhandlungsgruppen gebildet haben, denen sich Staaten dann zugehörig fühlen. Die größte Gruppe heißt „G77 + China“, ein Zusammenschluss von (ursprünglich 77) Schwellenländern wie Argentinien, Brasilien, Kongo, Indien, Kuwait und eben China.

Die USA, Kanada, Australien und einige mehr bilden die „Umbrella-Gruppe“, es gibt eine „Afrika-Gruppe“, eine der „Gleichgesinnten Entwicklungsländern“ (u. a. Algerien, Bangladesch,  Irak, Vietnam), die Gruppe der kleinen Inselstaaten, die OPEC-Länder und eben die EU, die eine Gruppe bildet. Staaten können  in mehreren Gruppen vertreten sein.

Eine genaue Auflistung haben die Kollegen vom Carbon Brief gemacht, wenn Sie da mehr eintauchen wollen: (LINK)

Jede Gruppe schickt dann einen Vertreter, der über die „roten Linien“ der anderen Mitglieder Bescheid weiß, zu den konkreten Verhandlungsgruppen. Dort hat die Präsidentschaft (diesmal Ägypten) ein Dokument vorbereitet mit einem konkreten Text, wo anfangs  Verben und Substantive in Klammern stehen, etwa:

„Alle (Staaten) (Industriestaaten) [verpflichten sich] {streben an} (bis 2035) Kohlekraft {zur Stromerzeugung} (zur Wärmeerzeugung)  (weniger zu nutzen) (zu verzichten).“

In den kleinen Verhandlungsgruppen wird dann um jede Formulierung in Klammern so lange diskutiert, bis alle Verhandler einverstanden sind – die UN-Regeln verlangen, wie erwähnt, Einstimmigkeit.  Die Delegierten gehen dann mit dem Dokument, das von allen Klammern befreit sein sollte,  zurück zu ihren Gruppen, um dort nachzufragen, ob  das wirklich für alle akzeptabel ist. Wenn nicht, muss weiter verhandelt werden – bis ein Ergebnis steht. Oder eben nicht, dann fliegen Absätze oder ganze Seite wieder aus dem Schlussdokument.

So oder so, ganz am Ende wird dann im Plenum abgestimmt.

Mag sein, dass das oft blöd oder sinnlos oder eine Zeitverschwendung ist. Aber es gibt nun einmal keine andere Ebene, auf der die ganze Welt verhandelt. 

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