Russland-Sanktionen: EU droht, Kern kritisiert USA

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Die EU droht den USA wegen der Sanktionen. Österreich befürchtet Schaden für OMV, für einen Kern-Sprecher sei das: "Absolut inakzeptabel", "unilateral", "äußerst alarmierend".

Nach dem Votum des US-Repräsentantenhauses für neue Sanktionen gegen Russland droht die EU-Kommission erneut mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die USA. Der amerikanische Gesetzentwurf sei zwar nachgebessert worden, könnte aber immer noch Auswirkungen auf europäische Unternehmen haben, die an russischen Energieprojekten beteiligt sind, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch.

"Das US-Gesetz könnte unbeabsichtigte einseitige Effekte mit Auswirkungen auf die Energiesicherheitsinteressen der EU haben", erklärte Juncker. "Deshalb hat die Kommission heute beschlossen, dass - sollte unseren Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen werden - wir bereit sind, innerhalb von Tagen angemessen zu reagieren. 'Amerika zuerst' kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen." Wie Gegenmaßnahmen aussehen könnten, blieb offen.

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Dienstag (Ortszeit) mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzentwurf zu neuen Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise verabschiedet. Die EU-Kommission betonte zwar, Strafmaßnahmen gegen Moskau halte man grundsätzlich für richtig. Doch müssten sie von allen großen Industriestaaten gleichzeitig durchgesetzt werden - nicht einseitig von den USA. Zum anderen treffe das Vorgehen gegen russische Energieunternehmen eben auch europäische Firmen und damit letztlich die Erschließung vielfältiger Energiequellen für Europa. Vor allem Deutschland und Österreich haben vor diesem Hintergrund Bedenken geäußert.

Die EU-Kommission hatte ihre Bedenken bereits am Montag öffentlich geäußert und erklärt, man bringe sie auch über alle diplomatische Kanäle in Washington vor. Nun erklärte sie, man verfolge den Gesetzgebungsprozess und die Umsetzung des Gesetzes weiter und werde nötigenfalls rasch handeln.

Kern lässt US-Politik kritisieren

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat sich über einen Sprecher besorgt gezeigt. Die Strafmaßnahmen könnten auch die Russland-Aktivitäten europäischer Firmen in den Sektoren Energie und Infrastruktur beeinträchtigten, sagte Kerns Sprecher Jürgen Schwarz der russischen Agentur TASS am gestrigen Dienstag.

"Eine einseitige Verschärfung der US-Sanktionen gegen die Russische Föderation könnte eine bedauerliche Abkehr von der vereinbarten gemeinsamen Politik der EU und der USA die Ukraine betreffend darstellen", wird Schwarz im englischen Dienst der Agentur zitiert. "Es wäre sehr bedauerlich, wenn die USA diesen gemeinsamen Kurs verließen."

Die amerikanischen Sanktionen waren wegen der Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt im Einklang mit der EU, aber auch wegen der mutmaßlichen Einflussnahme des Kremls auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 verhängt worden. Aus Europa kamen zuletzt Bedenken gegen die geplante Verschärfung der US-Sanktionen. Kritiker und Experten werfen dem US-Kongress vor, mit dem Vorgehen gegen russische Energieunternehmen wirtschaftliche Interessen der USA zu verfolgen. Europäische Energiekonzerne zeigten sich ebenso besorgt über mögliche Auswirkungen wie die EU-Kommission, die mit Gegenmaßnahmen drohte.

OMV-Chef Rainer Seele sagte der deutschen Zeitung "Handelsblatt", es sei im Interesse Europas, die Versorgungssicherheit eigenständig zu gewährleisten. Statt die Lieferungen aus Russland zu gefährden, müsse sogar mehr Gas aus Russland nach Europa kommen. "Aus europäischer Sicht sind zusätzliche Erdgasmengen aus Russland notwendig, da die eigene Produktion deutlich zurückgeht", sagte Seele. Er warb für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, an dessen Finanzierung die OMV beteiligt ist. Das bringe zusätzliche Versorgungssicherheit und garantiere den europäischen Kunden attraktive Konditionen, sagte Seele.

"Sanktionen können auf europäische Unternehmen ziehen"

Kern-Sprecher Schwarz kritisierte: "So weit wir wissen, können die geplanten Sanktionen auch auf europäische Unternehmen abzielen, die im Bereich der Entwicklung von Energie-Infrastruktur tätig sind. Sie könnten sich auch auf österreichische Großfirmen auswirken. Die extraterritoriale Anwendung solcher nationaler Gesetze (Gesetze der USA zur Verschärfung der Russland-Sanktionen, Anm.) ist absolut inakzeptabel." Die österreichischen Behörden seien ernsthaft besorgt über Versuche der USA, die Energieversorgung in Europa durch unilaterale Maßnahme gegen Russland zu beeinflussen und dadurch eigene wirtschaftliche Ambitionen zu verwirklichen. Dies wäre "äußerst alarmierend". "Die Energieversorgung Europas ist die Sache Europas", betonte Schwarz laut TASS.

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Dienstag mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzentwurf verabschiedet, der weitere Sanktionen gegen Russland, den Iran und Nordkorea vorsieht. Nun muss der Senat über den Entwurf abstimmen. Dann muss US-Präsident Donald Trump ihn unterzeichnen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die bestehenden Sanktionen gegen Russland punktuell erweitert werden und Gesetzeskraft erhalten. Die Abgeordneten haben es dabei etwa auf den russischen Energiesektor abgesehen, einen Schlüsselsektor der Wirtschaft des Landes. Kritiker unterstellen den USA, mit dem Vorgehen gegen russische Gasexporte Marktanteile für eigenes Flüssiggas sichern zu wollen. In dem Gesetzentwurf drücken die Abgeordneten etwa ihre Ablehnung der geplanten Gasleitung Nord Stream 2 aus, die von Russland nach Deutschland führen soll. Auch sprechen sie sich dafür aus, den Export amerikanischer Energieressourcen zur Priorität zu machen.

Kern hat auch für einen Abbau der EU-Sanktionen gegen Russland plädiert. Er hat zugleich aber klargemacht, dass es ohne Fortschritte im Ukraine-Konflikt keine Lockerung geben könne.

Russland-Sanktionen: EU droht, Kern kritisiert USA
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Die deutsche Regierung zeigt sich besorgt über die in den USA auf Schiene gebrachten neuen Sanktionen gegen Russland. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, verwies am Mittwoch in Berlin auf frühere Äußerungen von Außenminister Sigmar Gabriel, wonach die Sanktionen "kein Instrument der Industriepolitik zugunsten Amerikas sein dürften".

Schäfer sagte, zu dem vom Repräsentantenhaus mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten Entwurf stünden noch die Zustimmung des Senats und die Unterschrift von Präsident Donald Trump aus. Es sei zu früh anzunehmen, dass das, was auf dem Tisch liege, auch verabschiedet werde. Wenn es verabschiedet werde, gebe es noch genügend Zeit und Raum, um mit der amerikanischen Seite zu sprechen und auf die gemeinsame Zusammenarbeit zu pochen.

Schäfer sagte, der Gesetzestext habe sich im Vergleich zur Fassung von vor einigen Wochen "deutlich verbessert". Dies sei Ergebnis einer erfolgreichen Überzeugungsarbeit der Europäischen Kommission und seitens der deutschen Regierung. So sei etwa bei der wichtigen Frage des Umgangs mit russischen Energielieferungen nach Europa vermerkt, dass der US-Präsident gehalten sei, Konsultationen mit der EU und europäischen Partnern abzuhalten, bevor er Maßnahmen treffe. "Wir sind ein großes Stück vorangekommen", sagte Schäfer. Europa habe auch ein Interesse, gemeinsam mit den USA etwa wegen der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen. Gleichwohl gelte die bisherige Sorge weiter. So sei nicht zu akzeptieren, dass die amerikanische Politik "unter dem Deckmantel von Sanktionen Industriepolitik zugunsten amerikanischer Energieversorgungsunternehmen" betreibe.

Auch die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte, das Ziel von US-Sanktionen dürfe nicht die EU-Wirtschaft sein. "Wir lehnen Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung, also in Drittstaaten, aus grundsätzlichen Erwägungen ab." Zudem müssten USA und Russland ihre Sanktionspolitik gegenüber Russland weiter eng koordinieren. Auch die österreichische Regierung hat sich rund um Energieinteressen besorgt über die geplanten neuen Russland-Sanktionen der USA gezeigt.

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