Keine Corona-Milliarden für Polen und Ungarn: EU stoppt Zahlungen

Proteste in Polen
Als Grund nannte die EU-Kommission Bedenken wegen der Rechtsstaatlichkeit in den Ländern. Es geht um 47 Milliarden Euro.

Die EU geht auf vollen Konfrontationskurs mit den Mitgliedsstaaten Polen und Ungarn. Milliardenschwere Corona-Hilfen für beide Länder werden wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken aufgehalten. Dies bestätigte der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis in einer Pressekonferenz am Montag. Es gebe immer noch Punkte in Polens Aufbauplan, die angegangen werden müssten. "Wir schauen uns auch das Problem der Vorrangigkeit von EU-Recht an und seine potenziellen Auswirkungen für den polnischen Aufbauplan", sagte Dombrovskis. Man sei mit der polnischen Regierung in Kontakt, fügte er hinzu.

In Polen läuft derzeit vor dem Verfassungsgericht ein Verfahren darum, ob polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht hat. Kritiker werfen der polnischen Regierung außerdem vor, durch Reformen in den letzten Jahren die Unabhängigkeit der Justiz untergraben zu haben.

Die EU-Kommission hat bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Dombrovskis bestätigte nun, dass diese Bedenken auch Teil der Diskussionen um die polnischen Corona-Hilfen seien.

Gibt das polnische Verfassungsgericht der Regierung recht, könnte das ein Beben in der EU auslösen. Das wäre ein „Rütteln an den Grundfesten der Europäischen Rechtsunion“, hatte Europarechtsexperte Walter Obwexer bereits vor Wochen im KURIER-Gespräch gesagt. „Dann könnten auch die Verfassungsgerichte anderer Staaten fragen: Wenn Polen das kann – warum nicht auch wir?“

Natürlich schauen wir uns auch Rechtsstaatlichkeitsbedenken an, die im Fall von Ungarn identifiziert wurden"

von Valdis Dombrovskis

EU-Kommissar

Auch im Fall von Ungarn werden die Corona-Hilfen aufgehalten. "Natürlich schauen wir uns auch Rechtsstaatlichkeitsbedenken an, die im Fall von Ungarn identifiziert wurden", sagte Dombrovskis. Die genauen Herausforderungen nannte er nicht. Aus EU-Kreisen hieß es zuletzt, dass es um Vorkehrungen gegen den möglichen Missbrauch der Gelder geht. Die Regierung in Budapest wirft der Kommission allerdings vor, die Zustimmung der Hilfen von der Abschaffung eines umstrittenen Gesetzes abhängig zu machen. Das Gesetz verbietet es, Kinder über nicht-heterosexuelle Lebensweisen zu informieren.

Einschränkung der LGBTIQ-Rechte

Beiden Staaten hatten zuletzt auch mit umstrittenen LGBTIQ-Regelungen für Aufregung in Brüssel gesorgt. Die Kommission hatte daraufhin Verfahren wegen Vertragsverletzungen eingeleitet. "Europa wird niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden", erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals.

In Ungarn war im Juli ein Gesetz in Kraft getreten, das "Werbung" für Homo- und Transsexualität verbietet. Dies betrifft auch Bücher oder Filme zu diesem Thema. Wenn Brüssel von Ungarn Gleichheit in der sexuellen Aufklärung fordere, dann würde das in der "Brüsseler Sprache" bedeuten, dass "wir die LGTBIQ-Aktivisten in die Schulen und Kindergärten einlassen sollen", hieß es dazu aus Budapest.

Warschau und Budapest hatten ihre Corona-Aufbaupläne im Mai eingereicht. Um Gelder aus der sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) der EU zu erhalten, müssen Mitgliedsstaaten einen Plan mit konkreten Investitions- und Reformvorhaben vorlegen, der eigentlich innerhalb von zwei Monaten von der Kommission beurteilt wird.

Die Genehmigung der Pläne von Polen und Ungarn wurde allerdings verschoben. Nach derzeitigen Berechnungen soll Ungarn rund 7,2 Milliarden Euro an Zuschüssen bekommen und Polen insgesamt 40 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten.

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