Deutsche Ärztevertreter rechnen damit, dass Corona-Patienten künftig deutschlandweit verteilt werden müssen, um Regionen mit überfüllten Kliniken zu entlasten. „Die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen wird in den kommenden Wochen so weit steigen, dass mancherorts eine überregionale, vielleicht sogar deutschlandweite Verlegung nötig sein wird, um in besonders betroffenen Regionen rechtzeitig für Entlastung zu sorgen“, sagt die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Noch nie so große Sorgen gemacht"
Deutschland befindet sich in der Phase der Regierungsbildung, die Ärztevertreterin zeigt sich deswegen besorgt: „Die Zahlen steigen rasant und in der Politik herrscht ein Machtvakuum zwischen alter und künftiger Regierung, Bund und Ländern.“ Sie habe sich noch nie in der Pandemie so große Sorgen gemacht wie jetzt, so Johna.
Maßnahmen wie in Österreich
Der angehende Vizekanzler, Grünen-Chef Robert Habeck, bringt ähnliche Maßnahmen wie in Österreich ins Gespräch. „Kontaktbeschränkungen sind schmerzliche Einschnitte, das wissen wir alle noch zu gut. Aber angesichts der dramatischen Lage können sie für Ungemipfte regional nötig werden“, sagt Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Außerdem brauchten die Länder die Möglichkeit, Veranstaltungen abzusagen, wenn die epidemische Lage es notwendig mache.
Pflicht zum Homeoffice
Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will wieder eine Homeoffice-Pflicht einführen. Das berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Verweis auf einen ihr vorliegenden Gesetzesentwurf, den das Bundesarbeitsministerium den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP vorgelegt habe. Vorgesehen ist demnach auch eine 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. In Österreich gab und gibt es nur die Empfehlung, Homeoffice zu nutzen.
Krankenhaussystem könnte zusammenbrechen
Habeck ruft die Bevölkerung eindringlich zum Impfen auf. Eine Impfpflicht halte er für bestimmte Berufsgruppen für sinnvoll. Dringend geboten sei auch, 3G-Maßnahmen am Arbeitsplatz zu etablieren. Homeoffice solle wieder verstärkt genutzt werden. „Die Lage in Deutschland hat eine äußerste Dramatik. Wenn die vierte Welle nicht schnell gebrochen wird, droht das Krankenhaussystem im Dezember zusammenzubrechen“, so Habeck.
CDU-Politiker: "Müssen bis Ostern durchhalten"
„Diese vierte Welle wird mehr Opfer, auch mehr Todesopfer, verlangen als alles, was wir bisher kannten“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in der „Bild am Sonntag. Er stellt die Menschen darauf ein, dass die angespannte Situation noch Monate andauern wird. „Aus dem vergangenen Jahr wissen wir: Wir müssen bis Ostern durchhalten. Vorher wird diese Welle nicht zu Ende sein.“
Noch habe Deutschland die Chance, einen Lockdown in der Weihnachtszeit zu verhindern, betont Kretschmer. „Aber die Zeit läuft uns davon.“ Der Ministerpräsident forderte eine 2G-Regel in ganz Deutschland, Kontaktreduzierungen und die Absage möglichst vieler größerer Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkte.
Viele Tote sind doppelt geimpft
Unter der rasch steigenden Zahl von Corona-Toten in Bayern ist ein vergleichsweise hoher Anteil vollständig Geimpfter. Nach Daten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittel (LGL) lag die Quote in den vier Wochen vom 4. bis 31. Oktober bei knapp 30 Prozent. 108 der insgesamt gezählten 372 Todesopfer hatten beide Impfungen erhalten. In der ersten Novemberwoche war der Anteil mit gut 26 Prozent etwas niedriger - 23 der 88 Corona-Toten waren da vollständig geimpft.
Das LGL betont, dass die Zahlen mit Vorsicht interpretiert werden müssten: Als Corona-Todesopfer zählt, wer mit dem Virus infiziert war. Das bedeutet aber nicht, dass Corona auch unbedingt die Todesursache ist. Die Mehrzahl der Corona-Toten sind 80 und älter, dementsprechend litten viele auch an anderen Krankheiten.
Auffrischungsimpfungen wichtig
Das LGL weist auch darauf hin, dass insbesondere die Älteren schon früh im Jahr geimpft worden seien. Damit steige das Risiko einer abnehmenden Immunität. Das mache Auffrischungsimpfungen besonders wichtig.
Insgesamt schnellt die Zahl der Toten in die Höhe: Laut Corona-Portal der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität wurden in den vergangenen sieben Tagen 309 Todesfälle in Bayern gemeldet, was im Vergleich zu Mitte Oktober mehr als eine Verdoppelung bedeutet.
Kommentare