Karin Kneissl: Die "Ich"-Ministerin und die Medien
Die Außenministerin hat nachgedacht: Ihre Moskau-Reise im April war ihr ob der garstigen Medienleute, die mit waren, „eine Lehre“. Sie möchte in Ruhe arbeiten und nehme keine „riesigen Journalistendelegationen“ mehr auf Reisen mit. Journalisten stellen ja „keine interessanten Fragen“. Lieber will sie Gastkommentare schreiben.
Das ist schön. Die Schreibankündigung setzte Karin Kneissl allerdings nicht gleich um, sondern formulierte sie im Presse-Interview. Vermutlich, weil ihr dort eine ihrer Lieblingsfragen („In Ihrem China-Buch werfen Sie …“) gestellt wurde.
Was war in Moskau passiert? Die Ministerin hatte Syrien-Vermittlungen durch Österreich angeboten, Journalistenkontakte gemieden und am Ende der Reise den verdutzten Medienvertretern in einem Blitzbriefing erklärt, dass die Gespräche auch ohne Ergebnis „ein großer Erfolg“ gewesen seien. „Sie waren ja nicht dabei. Und jetzt muss ich internationale Telefonate führen.“
Kann gut sein, dass sich die „riesigen Journalistendelegationen“ (in Moskau: ein gutes halbes Dutzend Medienvertreter) gerade mangels Sinnhaftigkeit einer Kneissl-Begleitung reduzieren. Zumal die Ministerin, die im TV viele Jahre die Nahost-Lage analysieren durfte, Journalistenfragen entweder mit einer Zurechtweisung und/oder mit „Ich“ begegnet. Und mit einem Verweis auf ihre Bücher, ihre Auslandsstudien, ihre Erlebnisse („Wenn Sie, wie ich, in Israel …“), ihre journalistischen Aufsätze und ihre Sprachkenntnisse.
Auch das ist schön. Der Standard formulierte kürzlich zwar, dass Karin Kneissl unter Orientalisten eher als „ Hansi Hinterseer der Nahost-Exegese“ gehandelt werde. Aber das ist unfair. Wer so viele Bücher geschrieben hat und so viel gereist ist, muss sich in der Sache auskennen. Und wer so viele Top-Diplomaten in seinem Ministerium zur Seite hat – ein paar Toptop sind jetzt nicht mehr da, aber das Haus ist groß –, der/die kann aus dem Kompetenzvollen schöpfen.
Soll heißen: Karin Kneissl könnte weniger Zeit auf ein sehr großzügiges Story-Telling in eigener Sache verwenden; und sie bräuchte nicht den Donald Trump für Arme zu geben und die Medien zu geißeln. Der „weibliche Kreisky“ (© Heinz-Christian Strache) könnte einfach seinen Job tun – Außenministerin sein – und die Journalisten ihren Job tun lassen. Es ist immer schlecht, wenn der eine glaubt, das andere besser zu können, und umgekehrt. Die Selbstüberschätzung, in beidem unschlagbar zu sein, ist ein Fallstrick.
Auch wenn die Fußstapfen Kreiskys ein bisserl groß sind: Der Umgang des „Alten“ mit Journalisten – brummend, wertschätzend, abfällig, sie respektierend (instrumentalisierend auch), davon könnte auch die „Ich“-Ministerin noch lernen.
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