Kanada: 28. EU-Mitglied statt 51. US-Bundesstaat?

Canadian Prime Minister Mark Carney visits Paris
Trump’sche Annexionsfantasien verhalfen Liberalen zum Wahlsieg in Kanada.

Es waren harte Worte, die der amtierende kanadische Regierungschef Mark Carney nach seinem Wahlerfolg am Montag an Donald Trump richtete. Angesichts des vom US-Präsidenten geäußerten Wunsches, Kanada zu annektieren, sowie des Zollstreits mit diesem sprach der Ökonom von „amerikanischem Verrat“: „Amerika will unser Land, unsere Ressourcen, unser Wasser, unsere Bodenschätze.“ Die alten Beziehungen zum Nachbarn seien vorbei.

Bis zuletzt mischte Trump sich in den Urnengang ein. Noch am Wahltag wünschte er zynisch „dem großartigen Volk Kanadas viel Glück“, bekräftigte seine Einverleibungsfantasien mit Versprechen – er würde Kanadas Steuern halbieren, die Militärmacht kostenlos auf das höchste Niveau der Welt steigern und Auto-, Stahl-, Aluminium-, Holz-, Energie- und alle anderen Industriezweige vervierfachen, sollte das G7-Land der „begehrte 51. US-Bundesstaat“ werden. „Schluss mit der künstlich gezogenen Grenze von vor vielen Jahren.“

Trump-Effekt

Bei den rund 40 Millionen Kanadiern kamen diese Wünsche nicht gut an, wie das Wahlergebnis zeigt. Denn Premier Carney war durchgehend mit einer Trump-Abgrenzungsstrategie angetreten. Bevor die USA ihre Kanada-Politik derart radikal veränderten, hatte es nach einem desaströs schlechten Ergebnis für die Liberalen ausgesehen. Die Konservativen von Pierre Poilievre waren vorne gelegen, der Chef distanzierte sich im Wahlkampf aber viel weniger von Trump. Im Gegenteil, er nahm sogar ganz deutliche Anleihen an dessen Politik und Stil.

Carney will nun statt mit den USA stärker mit Europa, Asien und anderen Teilen der Welt zusammenarbeiten. Aus Brüssel gab es Gratulationen. Sie freue sich auf enge Kooperation, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag.

Mit dem Schwenk in der kanadischen Außen- und Handelspolitik sowie im Hinblick auf ähnliche Interessen poppte in den letzten Wochen eine davor kaum diskutierte Idee auf: Kanada könne doch einfach der EU beitreten. In einer Umfrage vom März hieß es, 44 Prozent der Kanadier seien dafür, nur 34 Prozent dagegen.

Kommissionssprecherin Paula Pinho sagte daraufhin, man fühle sich geehrt, doch Artikel 49 des EU-Vertrags erlaube nur europäischen Staaten den Beitritt. Das Medium Politico diskutierte mit mehreren Experten die Frage, was denn ein Land letztlich „europäisch“ macht und bis zu welchem Grad Kanada dem entspricht. Das Fazit: Ein Beitritt wäre wirtschaftlich wie politisch höchst heikel, kompliziert und unwahrscheinlich. Aber nicht unmöglich.

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