Kampfbegriffe: Wie die AfD "das Deutsche" umdeutet

Von "völkisch" bis "Kanzlerdiktatur": Die AfD macht bisher Unsagbares sagbar – und verändert die Politrhetorik.

Völkisch? Ein Wort mit Beigeschmack? Ach wo. Frauke Petry, Parteichefin der AfD, hat da wenig Berührungsängste. "Ich sperre mich dagegen, Wörter zu Unwörtern zu erklären", sagte sie jetzt in einem Interview mit der Welt; dass man "völkisch", das der Duden als "in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus" stehend definiert, mit "rassistisch" verbinde, sei eine "unzulässige Verkürzung", so Petry. "Wenn der Begriff damit zu tun hat, dass es um das Volk geht, was ist daran per se negativ?"

Historisch belastet

Völkisch, Volksgemeinschaft, Volksverräter, das sind alles Vokabeln, die im Sprachschatz der AfD und ihrer Anhänger feste Größen darstellen – dass sie historisch belastet sind, macht sie für die AfD nicht unsagbar, sondern offenbar geradezu interessant. Die Partei spielt gern mit Vokabeln, die durch zwei Diktaturen kontaminiert sind, die aus der NS-Zeit oder der DDR-Ideologie stammen, wie die Dresdner Wissenschaftlerin Astrid Friesen im Deutschlandradio sagt. Die Begriffe würden aus ihrer Geschichte gelöst – und das sei gerade in Deutschland mehr als problematisch. Denn mit den Kampfbegriffen von einst setze sich die AfD nicht nur von den Eliten ab, indem man sich bewusst politisch inkorrekt und "volksnäher" als die anderen Parteien gibt, sondern man biedere sich auch bei jenen an, die diese Begriffe schon immer benutzten. Die AfD spreche eine "Stammtischsprache", die bisher der NPD vorbehalten war, sagt Astrid von Friesen. Und sie macht auch kein Hehl daraus, wie Petry nun selbst meinte: Man solle daran arbeiten, dass der Begriff völkisch "wieder positiv besetzt ist", sagte sie jetzt.

Schwierig ist das auch deshalb, weil die AfD gern für sich beansprucht, die Stimme all jener zu sein, die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung üben. Besonders geschickt darin sind Alexander Gauland und Björn Höcke. "Kanzlerdiktatorin" nennen sie Kanzlerin Merkel gern. Fragt man, ob das nicht überzogen ist, weil es sie in eine Reihe mit Hitler oder Stalin stellt, wird abgewiegelt: "Sie hat doch alleine über die Grenzöffnung entschieden", sagt Gauland, der Begriff sei passend. Ebenso verteidigt er den Ruf "Lügenpresse", der anfangs bei Pegida, dann bei der AfD und nun auch in Variationen bei der CSU ertönt – ungeachtet der düsteren Geschichte dieses Wortes. Es diente vor der NS-Zeit als verbale Waffe, Hitler qualifizierte so die vermeintlich jüdische Weltpresse ab.

Nationalgefühl

Es gehe darum, "die Räume des Sagbaren mit Tabubrüchen auszuweiten", sagt auch die Publizistin Liane von Bednarz im Deutschlandfunk. Das gilt für Sprache und Ideologie gleichermaßen: Wenn die AfD "die Überfremdung des Kulturguts ,Deutsch‘" stoppen will, meint sie damit auch das Nationalgefühl; eine Emotion , die Partei-Rechtsaußen Höcke gern bedient. Er spricht von der AfD als "Tat-Elite", von anderen als "durchgeknallte Pseudoelite" – Begriffe, die der SS-Rhetorik entstammen.

Dass man derartige Begriffe positiv umdeuten will, ist nicht nur sprachliche Brandstiftung. Es ist "neonazistisch inspirierter völkischer Nationalismus", schreibt Politikwissenschaftler Hajo Funke in seinem Buch "Von Wutbürgern und Brandstiftern". Sein Schluss: "Die AfD will eine andere Republik".

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