Kampf um Kobane: Bereits mehr als 400 Tote
Dass sie sich so lange halten konnten, zeugt an sich schon vom verbissenen Kampfeswillen der kurdischen Kämpfer in der Stadt Kobane. Angegriffen von drei Seiten, kein Nachschub aus dem Norden – aus der Türkei –, schlecht ausgerüstet einem Feind gegenüber, der zwar zahlenmäßig unterlegen (die Rede ist von rund 3000 Kämpfern) aber mit schwerer Artillerie und Panzerfahrzeugen ausgerüstet ist. Am Dienstag zeichnete sich der Fall der seit drei Wochen schwer umkämpften Stadt ab. Von 5000 kurdischen Kämpfern in Kobane war die Rede, die vor allem eines täten: Zivilisten evakuieren. Von einem baldigen Fall der Stadt sprach auch der türkische Präsident Erdogan. Bereits mehr als 400 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben.
Aus Rakka, der "Hauptstadt" des Islamischen Staates, berichteten Aktivisten am Dienstag, der Himmel sei voll von Drohnen und Jets der internationalen Allianz gegen den IS – ungewöhnlich, da die Allianz bisher vor allem in der Nacht unterwegs ist. Ein Augenzeuge berichtete dem KURIER, dass am Dienstag aber keine Positionen des IS in Rakka bombardiert worden seien.
Das Vordringen des IS auf Kobane konnten die Luftschläge nicht stoppen. Vor allem bei den Verteidigern Kobanes lässt das Fragen offen. Kämpfer aus der Stadt berichteten – anders als seitens der internationalen Allianz kommuniziert – von spärlichen Luftangriffen alle zwei bis drei Tage. Das könnte an mangelnder Kommunikation zwischen den kurdischen Kämpfern und der Allianz liegen.
Vor einem Dilemma
Das könnte aber auch einen anderen Grund haben: Mit den kurdischen Kämpfern der Demokratischen Unionspartei PYD in Kobane steht die Allianz vor einem Dilemma. Die Partei steht der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe – und die steht in der Türkei ebenso wie in der EU und den USA auf der Liste terroristischer Organisationen.
Es gelang auch nicht, den Nachschub der IS nach Kobane zu unterbinden. Das liegt vor allem daran, dass der IS mit Luftschlägen umzugehen gelernt hat. Gerät wird getarnt, Einheiten werden in Kleingruppen bewegt.
Kurdische Politiker in Syrien sowie der Türkei und moderate syrische Oppositionelle jedenfalls warnten vor einem Fall Kobanes. In Syrien ebenso wie im Irak waren der Einnahme von Städten durch den IS in grausamer Regelmäßigkeit Massaker gefolgt – und dabei waren vor allem Kurden unabhängig ihrer Konfession oder Weltanschauung Opfer.
Vor allem aber ist die Region um Kobane seit Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges vor drei Jahren zur Zufluchtsstätte für Zehntausende Binnenflüchtlinge geworden. Für den Fall einer Einnahme der Stadt rechnet das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mit bis zu 400.000 Flüchtlingen binnen weniger Stunden.
Rund 300 Menschen haben am Montagabend in Wien gegen den Vormarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat" in der syrisch-kurdischen Stadt Kobane demonstriert. Die Protestveranstaltung verlief "absolut friedlich", sagte Polizei-Pressesprecher Paul Eidenberger am späten Abend. Kurz vor Mitternacht habe sich die Demonstration vor dem Parlament aufgelöst, der Ring sei wieder freigegeben worden.
Gegen 21.00 Uhr hatten sich etwa 300 Personen vor dem Parlament zu einer spontanen Kundgebung versammelt. Bei den Demonstranten habe es sich um Sympathisanten der in der nordsyrischen Grenzstadt Kobane kämpfenden Kurden gehandelt, hieß vonseiten der Pressestelle der Bundespolizeidirektion Wien.
Protest "gegen Untätigkeit des Westens"
Sie protestierten laut Polizei "'gegen die Untätigkeit des Westens'" und die Angriffe des "Islamischen Staats" (IS) gegen Kobane. "STOP ISIS - FREE KOBANE" sei auf Transparenten zu sehen gewesen. Kobane, das auch Ayn al-Arab genannt wird und direkt an der türkischen Grenze liegt, ist seit mehr als zwei Wochen Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen der IS-Miliz und den Kurden.
Bilder der Demonstration in Wien:
Die Sympathisanten der kurdischen Kämpfer forderten während der Kundgebung laut Polizei eine Aussprache mit Nationalratsabgeordneten. Wie auf bei Twitter veröffentlichten Bildern zu sehen war, kam es in der Folge zu Gesprächen zwischen ihnen und SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sowie der Grünen Nationalratsabgeordneten Berivan Aslan. Über die Gesprächsinhalte wurden zunächst keine Details bekannt.
Den Behörden zufolge sei der Auslöser der Protestveranstaltung in Wien ein "Aufruf auf Twitter" gewesen, "dem auch Kurden in Hamburg, Berlin und anderen europäischen Städten gefolgt sein dürften". Auf Twitter waren Bilder von Demonstrationen in der Schweiz und in den Niederlanden gegen IS und zur Solidarisierung mit Kobane zu sehen. Weiteren Twitter-Einträgen zufolge fanden auch in Paris, London, Bern, Stockholm, Den Haag, Berlin, Ankara und Istanbul Proteste statt.
Parlament in Den Haag erstürmt
Im niederländischen Den Haag erstürmten Berichten zufolge dutzende Kurden das Parlament um gegen IS zu protestieren. Rund 100 Menschen besetzten den Hauptsaal des Gebäudes und hielten Transparente mit Aufschriften wie "Stop Kobani" in die Höhe. "Die Situation in Kobane gerät außer Kontrolle. IS hat die Stadt erstürmt und viele Zivilisten wurden ermordet. Wir wollen, dass der Westen mehr dafür tut, damit diese Situation in Syrien beendet wird", sagte einer der Demonstranten der Nachrichtenagentur Reuters.
Auch in Bregenz, Innsbruck und Graz sind am Montagabend Dutzende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen den Vormarsch des IS in Kobane zu demonstrieren. In Bregenz wurden kurze Zeit vor der Demo die Glastür und zwei Fenster des türkischen Generalkonsulats mit Steinwürfen beschädigt, teilte die Polizei am Dienstag mit.
Rund 50 Menschen beteiligten sich an der Kundgebung in Bregenz, die sich über die Arlbergstraße in Richtung Innenstadt bewegte, informierte die Landespolizeidirektion Vorarlberg. Die unangemeldete Demonstration endete um 02.30 Uhr am Kornmarktplatz. In Innsbruck gingen gegen 23.50 Uhr etwa 70 Personen auf die Straße und blockierten die Grassmayrkreuzung. Diese Kundgebung dauerte 15 Minuten, hieß es von der Landespolizeidirektion Tirol.
Ebenfalls friedlich verlief eine unangemeldete Kurden-Demonstration in Graz, wie ein Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark der APA am Montag in der Früh auf Anfage mitteilte.
Seit Mitte September rückt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf die kurdisch-syrische Stadt Kobane vor. Kurdische Volksschutzeinheiten verteidigen die Stadt verzweifelt. Nach türkischen Regierungsangaben sind mehr als 185.000 Menschen vor den Kämpfen in der Region Kobane in die angrenzende Türkei geflohen.
Das Land hat nach offiziellen Angaben seit Beginn des Bürgerkrieges mehr als 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die humanitäre Situation an der Grenze ist kritisch und würde durch einen Fall Kobanes an den IS verschärft werden.
Die Terrormiliz konnte trotz der Luftschläge der USA und ihrer Verbündeten immer weiter auf Kobane vorrücken. Die Einnahme der Stadt wäre für den IS strategisch wichtig: Die Terrormiliz würde damit nicht nur ein großes zusammenhängendes irakisch-syrisches Gebiet, sondern auch weite Teile der Grenze zur Türkei kontrollieren.
Die kurdischen Kämpfer kritisierten von Anfang an, dass sie schlecht ausgerüstet seien und keinerlei Hilfe von außen erhielten. Der Ko-Präsident der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, warnte kürzlich vor einem Massaker, sollte der IS die Stadt einnehmen.
Die Volksschutzeinheiten, die Kobane verteidigen, gelten als bewaffneter Arm der PYD. Sie stehen der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe, die unter anderem in der Türkei, der EU und den USA als terroristische Vereinigung geführt werden.
Die Kurden würden mit Kobane nicht nur eine Stadt verlieren. Es wäre ein herber Rückschlag für die kurdische Selbstverwaltung im Norden Syriens. Dort hatten die Kurden seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 drei selbstverwaltete Regionen etabliert - mit Kobane würden sie einen davon verlieren.
Im Bürgerkrieg galt die kurdische Enklave lange Zeit als relativ sicherer Zufluchtsort. Nach UN-Angaben waren 200.000 Menschen aus anderen Teilen Syriens dorthin geflohen. Die UN gehen davon aus, dass sich vor Beginn der heftigen Gefechte um die Region Kobane insgesamt etwa 400.000 Menschen dort aufhielten.
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