Mit Flugdaten gegen Terror
Nach den Anschlägen von Paris forderten Europas Innenminister in der lettischen Hauptstadt Riga repressive Maßnahmen zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) betonte, dass die Sammlung von Fluggastdaten dabei helfen könne, künftig Anschläge zu verhindern.
Mit der Fluggastdatenspeicherung sollen künftig Reiserouten, Namen, Bankdaten, Geschlecht, aber auch Essenswünsche an Bord, bei Flügen von und nach Europa bis zu fünf Jahre gespeichert werden. Während dieser Zeit könnten Fahnder und Polizei die Daten einsehen. Insgesamt sollen 42 Datensätze sämtlicher in die EU ein- und ausreisender Personen gespeichert werden. Jede Urlaubsreise von Privatpersonen ist ebenso erfasst wie jede Geschäftsreise, alle Reisenden gelten gleichermaßen als pauschal verdächtig.
Kritik
Das EU-Parlament lehnte eine Einführung dieser Datenspeicherung bisher mehrheitlich ab. Die EVP, die größte Fraktion im EU-Parlament, unterstützt das europäische Datensammeln jetzt allerdings. "Wenn Daten in der Welt heute mächtig sind, dann braucht auch der Staat Daten, um die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten", sagte der deutsche EU-Parlamentarier Manfred Weber.
Kritik aus Österreich kommt vom SPÖ-EU-Abgeordneten Josef Weidenholzer, der das Vorhaben für "höchst bedenklich" hält. "Zusätzliche Überwachung macht weder die EU noch einzelne Bürger sicherer", sagt der Abgeordnete. Um Terrorismus zu bekämpfen, brauche es andere Maßnahmen. Auch der Grüne Abgeordnete Michel Reimon hält die Überwachung für einen "grundrechtswidrigen Schnellschuss".
Streit um Schengenkodex
Neben der Speicherung von Passagierdaten setzen die EU-Innenminister bei der Terrorbekämpfung jedoch auch auf andere Maßnahmen wie eine bessere Überwachung der Grenzen und Maßnahmen im Internet. Fahnder können an den Außengrenzen der EU künftig potenzielle Dschihadisten mit europäischem Pass leichter an der Ein- und Ausreise aus der EU hindern. Terrorfahnder sollen die Pässe von Verdächtigen noch an der Grenze entwerten können.
Mikl-Leitner hat sich allerdings gegen eine Adaptierung des Schengengrenzkodex ausgesprochen und stattdessen für eine umfassende Nutzung der bestehenden Regelung zur Terrorismusbekämpfung plädiert. Wichtiger sei, dass sich die Kommission rasch auf sogenannte Risikoindikatoren einige. Auf dessen Basis könnten die Mitgliedsstaaten Informationen über verdächtige Personen einmelden, die dann bei Passkontrollen aufscheinen. Denn wenn man versuchen würde den Schengenkodex zu adaptieren, „weiß jeder, dann haben wir zwei, drei Jahre nichts davon“. Bereits jetzt würden zahlreiche Staaten, darunter seit Herbst auch Österreich gute Erfahrungen mit einer „gezielt, systematischen“ Kontrolle von EU-Bürgern an den Schengen-Außengrenzen haben, so die Innenministerin.
Internet-Zusammenarbeit
Mikl-Leitner betonte zudem die Notwendigkeit enger mit Internetanbietern wie Google zusammenzuarbeiten, "damit terroristische Inhalte möglichst rasch aus dem Internet entfernt werden können". Auf KURIER-Anfrage erklärte das Innenministerium, dass man hier "Schnittstellen zwischen Behörden und Unternehmen" schaffen müsse. "Es bleibt den Unternehmen vorbehalten, Inhalte zu löschen."
Welche weiteren Maßnahmen die EU-Innenminister im Internet planen, lesen Sie auf futurezone.at.
Die derzeitige Strategie der EU
FAHNDUNG Polizei und Grenzschutz können bei der Terrorfahndung auf die EU-weite Fahndungsdatenbank "Schengener Informationssystem SIS" zugreifen. Sie soll etwa dabei helfen, dass Zöllner potenzielle Dschihadisten auf dem Weg von oder nach Syrien stoppen. Frankreich nutzt nach EU-Angaben diese Datenbank am häufigsten - mit Anfragen zu Personen und Fahrzeugen.
PRÄVENTION Über verschiedene Netzwerke teilen Experten EU-weit ihr Wissen. Seit 2007 gibt es etwa ein Netz von Polizei und Experten, um die Radikalisierung und Rekrutierung von Terroristen zu unterbinden. Für die Sicherheit an den Flughäfen arbeitet die Polizei im Strafverfolgungsnetzwerk Airpol zusammen, für Deutschland nimmt die Bundespolizei teil. Die EU finanziert auch die Erforschung und Entwicklung neuer Instrumente gegen Terrorismus.
TERRORISMUSFINANZIERUNG Die EU will Terroristen den Geldhahn zudrehen. Dafür sorgen etwa Geldwäschegesetze. So müssen Reisende bei der Ein- und Ausreise in die EU Summen von mehr als 10 000 Euro deklarieren. Die EU veröffentlicht zudem regelmäßig eine Terrorliste mit den Namen von Personen und Unternehmen, die als militant gelten und deren Konten in Europa eingefroren werden. Um internationale Finanzströme zu entdecken, erlaubt die EU US-Fahndern den Zugriff auf die Bankdaten von Verdächtigen in Europa. Das Abkommen mit dem Namen "Programm zur Verfolgung terroristischer Finanzströme" (TFTP) gewährt seit 2010 Einblick in Kontobewegungen.
FLUGGASTDATEN Um einreisende Terroristen aufzuspüren, arbeiten Europa und die USA zusammen. Seit 2012 erhalten die USA auf Basis des PNR-Abkommens die Daten von EU-Passagieren auf Flügen in die USA. Dazu gehören Name, Adresse, Sitzplatz- und Kreditkartennummer von Passagieren aus Europa. Ähnliche Abkommen hat die EU mit Kanada und Australien. Strittig ist noch, wie Europa mit diesen Daten umgeht. Das EU-Parlament blockiert bisher den Vorschlag für ein europäisches Fluggastdatensystem.
VORRATSDATENSPEICHERUNG Nach den Anschlägen von Paris ist die Debatte darum neu entbrannt. Der Begriff steht für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten der Bürger, die Ermittlern bei der Jagd nach Terroristen und Schwerverbrechern helfen soll. Der Europäische Gerichtshof hatte eine entsprechende Regelung in der EU 2014 gekippt. Ob es neue Vorgaben auf EU-Ebene geben wird, ist offen.
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