Kalkulierter Bruch: Russlands Kirche geht nun eigene Wege

Kalkulierter Bruch: Russlands Kirche geht nun eigene Wege
Das Oberhaupt der Russisch Orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I.: die russische Orthodoxie bricht mit Konstantinopel

Die Russisch Orthodoxe Kirche legt es allem Anschein nach darauf an, dem Rest der Welt zu zeigen, wo Gott wohnt. Im Zuge einer Synode im weißrussischen Minsk beschloss sie nun, alle Kontakte zum Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel abzubrechen. Das Patriarchat in Konstantinopel ist so zu sagen die Dachorganisation der Orthodoxen Christenheit. Es ist ein Schritt, der sich abgezeichnet hat. Aber dennoch einer, der schwerwiegende Folgen haben könnte.

Der Anlass des Bruchs: Der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. hatte in der Vorwoche im Zuge einer Synode beschlossen, die Ukrainisch Orthodoxe Kirche dem Ökumenischen Patriarchat zu unterstellen. Die Exkommunikation zweier wichtiger ukrainischer Kirchenmänner wurde aufgehoben. Ausgesprochenes Ziel ist die Schaffung eines eigenständigen Kiewer Patriarchats unter dem Dach des Ökumenischen Patriarchats.

Seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion hatte das Kiewer Patriarchat keinerlei kirchenrechtliche Anbindung. Die Kirche ist aber die größte in der Ukraine. Formell kirchenrechtlich gehörte die Ukraine seit 1686 zum Moskauer Patriarchat, das in der Ukraine eine vergleichsweise bescheidene Anhängerschaft hat. Diese Zuordnung von 1686 wurde jetzt aufgehoben.

Historischer Vergleich

Eine andere Wahl habe man nicht gehabt, so der russische Metropolit Ilarion in Minsk über die Entscheidung der russischen Orthodoxie. Die Entscheidung Konstantinopels, dem Kiewer Patriarchat die Unabhängigkeit zu verleihen verglich er mit dem Schisma von 1054, das die Spaltung zwischen der westlichen und der östlichen Christenheit zur Folge hatte. Man stehe vor einer völlig neuen kirchlichen Realität. Es gebe von nun an kein einzelnes koordinierendes Zentrum der Orthodoxie mehr, so ein Sprecher für die Außenbeziehungen der Russisch Orthodoxen Kirche. Das Ökumenische Patriarchat habe sich selbst als solches eliminiert.

Das bedeutet, dass die Russisch Orthodoxe Kirche im Zuge dieses Konflikts in die Offensive geht und sich selbst als Mutterkirche der orthodoxen Christenheit in Stellung bringt. Aus Syrien kamen bereits kritische Stimmen, was die Entscheidung Bartholomaios I. angeht. Ebenso aus Serbien. Als potenzielle Kirche, die Moskau folgen könnte, gilt zudem die Armenische Kirche.

 

Kalkulierter Bruch: Russlands Kirche geht nun eigene Wege

Das Höhlenkloster Pecherska Lawra in Kiew: Die Moskau-treuen Popen beschwören, das Kloster nicht aufgeben zu wollen

Unmittelbar bedeutet der Bruch Moskaus mit Konstantinopel, dass das Moskauer Patriarchat nach Kirchenrecht nun nicht an die Regel gebunden ist, wonach in einem Staat nur eine orthodoxe Kirche unter dem Dach Konstantinopels existieren darf. Und das bedeutet konkret: Das Moskauer Patriarchat wird seinen Anspruch auf Heiligtümer in der Ukraine (allen voran das Höhlenkloster Pecherska Lawra in Kiew, das auf das 11.Jahrundert zurückgeht) auf keinen Fall aufgeben.

Politisches Werkzeug

Der Streit hat dabei sehr konkretes Konfliktpotenzial. Der russische Sicherheitsrat befasste sich zuletzt mit der Angelegenheit. Putins Sprecher schwor, dass Russland die Anliegen der Gläubigen in der Ukraine schützen werde, sollte die Kirchenspaltung zu „illegalen Aktionen oder Gewalt“ führen. Einher ging das mit dem Versprechen, „ausschließlich politische und diplomatische“ Mittel anwenden zu wollen – worüber man in der Ukraine nur müde lächelt (Stichwort: Krieg im Osten, Annexion der Krim). Die Russische Orthodoxie ist dabei aus Sicht Kiews soetwas wie ein Trojanisches Pferd Moskaus. Immer wieder hatten die russisch orthodoxen Popen in der Ukraine in sehr eindeutiger Art und Weise im Sinne Moskaus agitiert.

 

Kalkulierter Bruch: Russlands Kirche geht nun eigene Wege

Für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ist die Entscheidung Konstantinopels ein wichtiger Sieg

Ebenso wie der Erhalt der kirchlichen Oberhoheit über die Ukraine ein politisches Projekt des Kreml ist, ist die kirchliche Eigenständigkeit ein politisches Projekt in der Ukraine, mit dem Präsident Petro Poroschenko gestärkt in die Wahl im kommenden Jahr gehen will. Konkret manifestieren dürfte sich der Streit an kirchlichen Liegenschaften wie Pecherska Lawra. Das riesige Kloster gehört formell dem ukrainischen Staat, der die Liegenschaft verpachtet und diesen Vertrag theoretisch einfach auflösen könnte.

Am vergangenen Sonntag feierten zehntausende Gläubige zusammen mit Popen des Kiewer Patriarchats auf den Straßen im Zentrum Kiews. Der Anlass: Die Entscheidung Konstantinopels. Hinter den festungsartigen Mauern Pecherska Lawras beschworen die Popen des Moskauer Patriarchats indes vor Gläubigen, sich nicht beugen zu wollen – all das abgeschirmt von Spezialeinheiten der Polizei.

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