Jossi Beilin: Kein Kontakt Israels mit der FPÖ

Jossi Beilin: Kein Kontakt Israels mit der FPÖ
Israels Ex-Außenminister über einen eigenen palästinensischen Staat, US-Präsident Trump und die Beziehung zur FPÖ.

KURIER: Israel wurde vor 70 Jahren gegründet, was kann die Welt von diesem Staat lernen? 

Jossi BeilinVielleicht wie man die wirklich großen Herausforderungen meistert. Wir sind ein  Staat, der sich in ständiger Alarmbereitschaft befindet. Wir mussten lernen, wie wir mit knappen Ressourcen umgehen, wie wir unsere Sicherheit ständig verbessern, wie wir uns gegen den Boykott der arabischen Welt zur Wehr setzen und wie wir Menschen in die Gesellschaft integrieren, die weder Sprache noch Kultur kennen. 

Das Land befindet sich seit 70 Jahren in einem ständigen Verteidigungsmodus. Was macht das mit einer Gesellschaft und was hält sie zusammen? 

Es ist der Holocaust. Natürlich kann meine Generation oder die meines Sohnes heute sagen, wir werden das zwar nie vergessen, aber das ist nicht Teil unseres Lebens, wir blenden das aus. Das werden wir aber nie können. 

Sie gelten als einer der Architekten des Osloer Friedensprozesses, damals war man sehr nahe an einer Lösung zwischen Israel und Palästina. Heute scheint das wieder in weite Ferne gerückt. Glauben Sie noch an eine Lösung? 

Ich glaube an eine gültige Grenze zwischen Israel und Palästina. Wenn es die nicht gibt, wird eine jüdische Minderheit weiterhin eine palästinensische Mehrheit kontrollieren. Aber das sind nicht wir, das ist nicht jüdisch und auch nicht menschlich. Deswegen brauchen wir eine Grenze und zwei unabhängige Staaten. 

Sie sagten in einem Interview, dass Sie sich eine Art Konföderation vorstellen können. Wie kann man sich das vorstellen? 

Wir sprechen von einem sehr kleinen Gebiet. Es wäre unsinnig, hier nicht partnerschaftlich zu agieren, vor allem, was unsere Ressourcen betrifft. Das ginge auch so weit, dass jüdische Siedler heute besetztes Land kaufen, dort bleiben und trotzdem jüdische Staatsbürger bleiben können. 

Interview Jossi Beilin

Jossi Beilin mit kurier.at Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner

Aber das geht nur, wenn besetzte Gebiete wieder zurückgegeben werden.

Ja, darum poche ich auch auf eine gültige Grenze. Ohne diese Voraussetzung wird man sich nicht bewegen können. 

Aber die Fronten sind verhärtet, in Israel ist eine rechte Regierung an der Macht, die einer islamistischen Hamas gegenübersteht. Gibt es derzeit überhaupt noch einen Spielraum für Verhandlungen? 

Ich möchte nicht ausschließen, dass die gegenwärtige Regierung nicht in der Lage dazu wäre. Die Lösung liegt auf der Hand, man müsste den Prozess einfach wieder aufnehmen. 

Derzeit scheint der Iran das größte Problem für Israel zu sein. hat das Atomabkommen gekündigt, Netanjahu hat diese Entscheidung forciert. War das richtig? 

Den Atomdeal aufzukündigen, war komplett falsch. Es war ein sehr wichtiges Abkommen, das man nach 15 Jahren natürlich wieder erneuern hätte müssen. Netanjahu macht einen großen Fehler, hier mit Trump zu gehen. Aber ich verstehe schon, dass man einen großen Feind braucht, um von den eigenen Missständen ablenken zu können.

Aber Fakt ist doch, dass der Iran sehr stark in Syrien ist und die Hisbollah im Libanon aufrüstet. Sehen Sie keine Bedrohung für Israel

Der Iran ist keine existenzielle Bedrohung für Israel. Deswegen war es völlig unnötig von Trump, dieses Abkommen zu kündigen. 

Ist Donald Trump mit seiner unberechenbaren Außenpolitik überhaupt ein hilfreicher Partner für Israel

Trump ist ein historischer Unfall. Es ist ein Albtraum, dass dieser Mann die größte westliche Demokratie anführt. Aber egal. Wenn er mit einem vernünftigen Friedensvorschlag kommt, bin ich der Erste, der ihm applaudieren wird.  

Erstaunlich ist, dass sich jetzt gegen den Iran neue Allianzen für Israel auftun, wie zum Beispiel mit Saudi-Arabien. Das war bislang undenkbar. Wie bewerten Sie das? 

Ich bin froh darüber und würde mir natürlich noch bessere Beziehungen wünschen. Aber wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben. Solange wir keinen Frieden mit den Palästinensern haben, wird es auch keinen Frieden mit den Arabern geben. 

Ein Wort zu Österreich. Mit der FPÖ ist eine rechtspopulistische Partei in der Regierung. Wie ist Ihre Meinung zu dieser Fraktion?

Ich bin sehr misstrauisch. Aber wir anerkennen natürlich, dass sich die FPÖ bemüht zu beweisen, dass man sich verändern will. Wir werden das genau beobachten.

Finden Sie es richtig, dass die israelische Regierung keinen Kontakt möchte?

Hinter dieser Entscheidung stehe ich, sie ist zu 100 Prozent richtig.

Zur Person

Der 1948 in Israel geborene Jossi Beilin war zwischen 1988 und 1990 stellvertretender Finanzminister, bis 1995 stellvertretender Außenminister. Beilin war maßgeblich an den Osloer Friedensverhandlungen mit der PLO zwischen 1992 und 1993 beteiligt. Er galt damals als einer der kontroversesten Politiker Israels und als Hauptfeind der Rechten, die diese Verträge ablehnten. Beilin hat sich mittlerweile aus der Politik zurückgezogen. Heute gilt er als einer der wichtigsten Befürworter einer Zweistaatenlösung.

Beilin war auf Einladung von Mena-Watch in Wien.

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