Jesiden im Irak: Exodus nach Deutschland

Kinder spielen in einem Flüchtlingslager der Jesiden in Sharia.
Viele Jesiden wollen zu Verwandten, allein 2000 stecken in Griechenland fest - in die Türkei zurück wollen sie nicht.

Wie viele Jesiden mittlerweile in Deutschland leben, weiß selbst Telim Tolan nicht genau. Um die 120.000 waren es vor dem 3. August 2014, jenem düsteren Tag, als der IS im Nordirak Tausende Angehörige der religiösen Minderheit entführte oder tötete. "Seither sind mehr als 28.000 nach Deutschland geflohen", sagt Tolan, der Vorsitzender des Zentralrats der Jesiden ist.

Deutschland, das ist Ort der Hoffnung für viele. Seit 40 Jahren leben Jesiden hier in der Diaspora, und seit dem Völkermord wollen viele aus dem Nordirak zu ihren Verwandten. Die Regierung ist dabei nicht untätig: Sie unterstützt die Peschmerga, das Land Baden-Württemberg holte zudem 800 versklavte und missbrauchte jesidische Frauen per Kontingent nach Deutschland. Das Vorzeige-Projekt ist mittlerweile beendet, weshalb sich Tolan eine Neuauflage wünscht: "Noch immer sind 3500 jesidische Mädchen und Frauen in der Gefangenschaft des IS", sagt er; dazu kämen die Freigelassenen, die vor Ort auf Hilfe warten sowie die vielen Chrsiten, die bedroht würden. "Die Staatengemeinschaft muss intervenieren. Es reicht aber nicht, die Verbrechen an den Jesiden als Genozid zu benennen - man muss ihnen eine Fluchtchance geben."

Kein Durchkommen

Die ist derzeit aber nicht gegeben. Obwohl die Anerkennungsquote der Jesiden in Deutschland bei weit über 90 Prozent liegt, schafft es durch die Sperre der Balkanroute kaum jemand bis dorthin; im Nordirak leben mehr als 60 Prozent der Volksrgruppe unter katastrophalen Umständen, viele haben sich deshalb auf den Weg Richtung Westen gemacht - und sind hängen geblieben.

Allein 2000 stecken derzeit in Griechenland fest. Sie sollten nach Deutschland geholt werden, fordert Tolan – denn die Vorstellung, dass sie in die Türkei zurückgeschickt werden, bereitet ihm Sorge: "Die Türkei war und ist kein sicherer Aufenthaltsort für religiöse Minderheiten, das gilt insbesondere für die Jesiden", sagt er; auch dort habe die Minderheit keine Grundlage, um frei zu leben. Dazu komme die Doppelmoral der Regierung Erdogan in puncto IS: "Sie ist mit ein Grund, warum auch aus der Türkei ein Exodus eingesetzt hat."

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