Seine Karriere in der kirchlichen Hierarchie legte er schnell hinter sich. Ohne eine der steilen Stufen zu überspringen: Vom Studenten der Bibelwissenschaften an der Hebräischen Universität zum Gelehrten an der Jerusalemer Hochschule für Bibelstudien des Franziskaner-Ordens bis zum Patriarchen im Kardinalsrang.
Mit 35 Jahren wurde Pizzaballa Kustos des Heiligen Landes, Hüter der Heiligen Stätten. Er war damit der jüngste Kustos, seit es dieses Amt gibt - also seit achthundert Jahren. Wobei „das Heilige Land“ Israel, Palästina, Jordanien, Syrien, Ägypten, den Libanon, Zypern und Rhodos umfasst.
Kein Wunder also, dass er mit seinen Sprach- und Ortskenntnissen vom Vatikan in die „Kommission für das Judentum und Islam“ berufen wurde.
Weniger bekannt ist, dass er auch als Seelsorger der „Katholim“ tätig war, der Hebräisch sprechenden Katholiken in Israel. Ihre Zahl wuchs in den letzten Jahrzehnten durch die Einwanderung aus Osteuropa stark an.
Meistens sind es katholische Ehepartner jüdischer Einwanderer, ihre Kinder dienen häufig in der israelischen Armee. Mit den alteingesessenen palästinensischen Gemeinden haben sie nur wenig Kontakt. Soll heißen: Der Nahost-Konflikt überschattet auch die lokalen Christen.
Pizzaballa kennt die Sorgen und oft widersprüchlichen Gefühle beider Seiten. Im Gespräch unter vier Augen kann er direkt werden. Leidenschaftlich. Ohne Umschweife. In der Öffentlichkeit hingegen vertritt er die Kirche. Seine Stellungnahmen sind präzise. Jedoch unter Vermeidung aller politischen Fettnäpfchen.
Pizzaballa bot sich der Hamas als Geisel an
In ein solches trat er jedoch direkt nach dem Massaker-Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. In altgewohnter diplomatischer Ausgewogenheit sprach er von einer „aus dem Gazastreifen kommenden Operation“. Bald darauf entschuldigte er sich: „Mir war das Ausmaß des Schreckens da noch nicht bekannt.“ Anschließend bot der Patriarch sich der Hamas selbst als Geisel an, anstelle der gefangenen Kinder: „Dazu stehe ich bereit. Mit absoluter Willigkeit meinerseits.“
Pizzaballa war der erste hochrangige internationale Amtsträger, der nach Kriegsausbruch in den Gazastreifen reisen durfte. Er beschrieb die verzweifelte Lage der Menschen und das horrende Ausmaß der Zerstörung.
Im Gegensatz zum Papst vermied er dabei direkte Schuldzuweisungen. Was als Parteinahme ausgelegt werden kann, gefährdet schließlich das Leben der christlichen Minderheit. Ob im Gazastreifen oder in Syrien, wo er im Bürgerkrieg ebenfalls immer wieder vor Ort war. Für Gaza organisierte er eigenständige humanitäre Hilfe der Kirche.
Zu jung für das Papstamt? Es gab noch jüngere
Sein Leben vor Ort hat ihn zum Pragmatiker gemacht. Er weiß, warum er Leidenschaft nicht öffentlich einbringen kann. Was für den politischen wie auch religiösen Raum gilt. Die lokalen Christen sind meist traditionalistisch ausgerichtet. Viele der in Jerusalem lebenden Christen aus aller Welt begrüßen Reformen. Pizzaballa spricht die Sprachen aller. Nicht nur Arabisch und Hebräisch.
Mit 60 Jahren gilt er vielen als zu jung für das Papstamt. Sein Charisma, seine Weltoffenheit und Weltgewandtheit erinnern dabei sehr an einen gewissen Karol Wojtyla. Der wurde unter dem Namen Johannes Paul II. Papst mit 58. Doch wer immer es werden wird – der weiße Rauch wird nicht das letzte Mal aus dem Vatikan steigen.
Kommentare