Seit die Richterin dem Drängen von US-Medien in der Nacht zu Donnerstag nachkam und die durchnummerierte „Max Mustermann“-Liste – in Amerika sagt man dazu John oder Jane Doe – freigab, erhält der Jurist viel Zuspruch. Tenor: Namen allein sind Schall und Rauch. Zwar weiß man nun, dass der vom Schulabbrecher zum Multimillionär und bestens vernetzten Gesellschaftslöwen aufgestiegene Epstein neben Ex-US-Präsident Bill Clinton, dem britischen Adelsspross Prinz Edwards und Tech-Milliardär Bill Gates auch Leute wie den Magier David Copperfield, den „King of Pop“ Michael Jackson, „Star Wars“-Erfinder Georg Lucas und Astrophysiker Stephen Hawking seinem Orbit wusste. Ob aber, wie seit Jahren medial dies und jenseits des Atlantiks spekuliert wird, diese und andere Prominente Mitwisser oder Mittäter beim generalstabsmäßigen Missbrauch junger Frauen auf Epsteins Anwesen auf den Jungferninseln gewesen sein könnten, ist nach der Veröffentlichung der ersten 40 von rund 250 Gerichtsdokumenten laut US-Kommentatoren „weiter absolut unklar“.
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„Lolita Express“
Vor allem Politiker aus dem Dunstkreis von Ex-Präsident Donald Trump, der vor Jahrzehnten häufig auf Partys mit Epstein und diversen Frauen gesehen wurde und sich später von ihm distanzierte, hatten zuletzt einen wahren Hype entfacht. Dabei wurde der Eindruck erweckt, dass ein Eintrag in der Passagierliste eines der vielen Flüge in Epsteins Privat-Boeing, der einschlägig als „Lolita Express“ Richtung „Pedophile Island“ bekannt war, bereits Beleg für strafrechtlich relevantes und schändliches Verhalten sei.
Zum Hintergrund: Bill Clinton etwa hatte bereits vor vier Jahren offiziell angegeben, vier Mal im Rahmen seiner Privatstiftung Mitflugangebote Epsteins wahrgenommen, von dessen „schrecklichen Verbrechen“ aber nichts gewusst zu haben. In den jetzt freigegebenen Unterlagen wird dagegen mit Johanna Sjoberg ein Missbrauchsopfer Epsteins zitiert. Danach habe Epstein ihr gesagt, dass Clinton „sie jung mag“ – was sich auf das Alter von Mädchen bezogen habe. Der 77-Jährige Clinton hat sich bisher dazu nicht geäußert.
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Durch die Aufhebung des Datenschutzes bei den rund 200 Namen, die im Zivilprozess zwischen der durch Epstein geschädigten US-Amerikanerin Virginia Giuffre und dessen langjähriger Partnerin Ghislaine Maxwell gefallen sind, haben auch Theorien neuen Auftrieb bekommen, die in rechtspopulistischen Nischen sozialer Medien kursieren. US-Behörden seien danach im Besitz von belastendem Video-Material über Epsteins „Freundeskreis“, hielten das aber streng unter Verschluss. US-Justizsprecher dementieren das regelmäßig.
Epstein war 2019 festgenommen worden, weil er zahlreiche minderjährige Mädchen sexuell missbraucht und anderen Männern vermittelt haben soll – über Jahrzehnte. Eine frühere Anklage deshalb hatte wegen eines für ihn vorteilhaften Deal geendet: Epstein stand damit symbolhaft für die gesellschaftliche Elite machte, die selbst mit Verbrechen durchkommt.
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