Japan in der Krise: Regierungschef Ishiba steht vor dem Aus

Er war erst nach dem Rücktritt seines Vorgängers Fumio Kishida im Oktober angetreten, um sein Land und seine Partei aus der politischen Krise zu führen. Neun Monate später steht Japans Premierminister Shigeru Ishiba bereits vor dem Abgrund.
Am Sonntag hat Ishiba nicht nur seine bereits zweite Wahl verloren, sondern seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP), die Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast durchgehend regiert, damit auch noch die Mehrheit in beiden Kammern des japanischen Parlaments gekostet.
Damit ist der Premier stark angezählt - der Zeitpunkt dafür könnte nicht schlechter sein. Schließlich muss seine Regierung bis 1. August einen Deal mit den USA schließen, wenn Japan nicht mit den von Donald Trump angekündigten Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent getroffen werden soll.
Deutliche Wahlniederlage für Regierungspartei LDP
Die zweite Wahlschlappe erfuhr Ishiba am Sonntag bei der Wahl der oberen Parlamentskammer, dem sogenannten "Haus der Räte". Zwar verfügt das Oberhaus im politischen System Japans nur über wenig Macht, doch die Wahl dient gemeinhin als Stimmungsbild der Bevölkerung gegenüber ihrer Regierung.
Es fiel vernichtend aus. Die LDP verlor 19 ihrer 66 Sitze - und kann damit nicht einmal mehr gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner, der liberalen Kleinpartei Kōmeitō, eine Mehrheit stellen.
Das liegt zum einen an einer Reihe Korruptionsskandalen, in die Führungspersönlichkeiten der Partei verwickelt waren (der KURIER berichtete). Vor allem aber scheitert die LDP seit Jahren daran, den wirtschaftlichen Abschwung aufzuhalten. Vor zwei Jahren fiel Japan im Ranking der größten Volkswirtschaften hinter Deutschland auf Platz vier; für dieses Jahr erwarten Experten, dass auch Indien Japan überholen wird.
Die Bevölkerung kämpft seit Jahren mit der enormen Teuerung, vor allem die hohen Preise für Reis - der heute im Schnitt doppelt so teuer ist wie vor einem Jahr - sorgen für landesweiten Zorn. Dazu kommen hohe Steuern, die auch weiterhin hoch bleiben werden, um die Pensionen für die extrem hohe Zahl an alten Menschen zu bezahlen.
Erwarteter Rechtsruck in Japan fand statt
Die noch junge Rechtspartei Sanseitō verspricht einfache Antworten auf diese Probleme: Weniger Solidarität. Die Partei fordert ein Ende der Mehrwertssteuer, geringere Pensionen als Gegenmittel gegen die stagnierenden Löhne und hetzt gegen Ausländer, die eine Gefahr für Japans "soziale Stabilität" seien.

Sohei Kamiya ist der populistische Parteichef der jungen Rechtspartei Sanseitō.
Eine bemerkenswerte Forderung, schließlich verfügt Japans Gesellschaft mit gerade einmal 3,7 Prozent über einen der geringsten Anteile an Menschen mit Migrationshintergrund aller entwickelten Industrienationen.
Viel war vor der Wahl darüber geschrieben worden, dass Sanseitō im Grunde aus dem Nichts auf mehr als zwanzig Oberhaussitze kommen könnte. Am Ende waren es nur vierzehn; vor allem, weil andere konservative Kleinparteien kurz vor der Wahl ihre Rhetorik gegenüber Migranten verschärften - und ähnlich stark zulegten.
Der prognostizierte Rechtsruck in Japan fand also statt, er verteilte sich aber anders als erwartet auf mehrere Kleinparteien auf. "Diese Parteien sind nun ein Faktor, es steht aber längst nicht fest, ob sie eine dauerhafte Herausforderung für das Establishment sind oder von Proteststimmen profitierten", analysiert der US-amerikanische Japan-Experte Tobias Harris in seinem aktuellen Newsletter.
Ishiba will weitermachen, doch was will die LDP?
Für die regierende LDP ändert das wenig, sie muss künftig bei jedem Gesetzesvorschlag auf Partnersuche gehen, um Mehrheiten zu finden. Premierminister Ishiba will trotzdem weiterregieren, gerade wegen der bevorstehenden Verhandlungen mit der Trump-Regierung, wie er am Sonntag offenbarte.

Shigeru Ishiba (li.) traf bereits im Frühjahr persönlich auf Donald Trump. Nun muss er - stark geschwächt - mit diesem einen Deal aushandeln, will er nicht, dass Japan mit 25-prozentigen US-Zöllen getroffen wird.
Japan-Experte Harris geht dagegen von baldigen Neuwahlen aus: "Wenn Ishiba im Amt bleibt, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis er mit einer offenen Parteirevolte, einem Misstrauensantrag oder vielleicht einer Kombination aus beidem konfrontiert wird."
Es gebe Stimmen in der Partei, die Ishiba gerade deshalb stürzen wollen, weil sie ihn für unfähig halten, erfolgreich mit Trump zu verhandeln.
Kommentare