Italien-Wahl: Zwei alte Herren als Strippenzieher

Ex-Premier Silvio Berlusconi, 81, (o.) ist zurück.
Wie Silvio Berlusconi, der keine Polit-Ämter bekleiden darf, und Beppe Grillo den Wahlkampf dominierten.

Das Kameralicht geht an, und Silvio Berlusconi ist in seinem Element. Keiner beherrscht die Selbstdarstellung besser als der italienische Ex-Premier. Nach unzähligen Prozessen, Skandalen und einer Herz-OP ist der 81-jährige Medientycoon wieder auferstanden. Auch wenn er aufgrund eines Ämterverbots bis 2019 wegen Steuerbetrugs nicht selbst kandidieren darf, bestimmt er maßgebend die heutigen Wahlen. Als seinen Frontmann schickt er EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani ins Rennen.

Nach vier Amtszeiten als Regierungschef musste Berlusconi 2011 zurücktreten. Er galt danach längere Zeit als "impresentabile", als nicht repräsentierfähig. "Seinen Erfolg verdankt er seiner Tarnungsfähigkeit. Sieben Jahre nach seinem unsäglichen Abgang ist er als zuverlässiger Opa und Tierschützer wieder zurück. "Ein Teil der Italiener ist naiv und gutgläubig", analysiert Berlusconi-Experte Marco Travaglio in der Tageszeitung Il Fatto Quotidiano.

Gespaltene Linke

Die Mitte-Rechts-Allianz mit Berlusconis rechtskonservativer " Forza Italia"-Partei hat gute Chancen, die Parlamentswahlen zu gewinnen. "Berlusconi profitiert von der gespaltenen Mitte-Links-Allianz. Viele Italiener wählen Forza Italia, weil sie sich vertreten fühlen. Dazu gehören Handwerker, Geschäftsleute, Klein- und Mittel-Unternehmer und alle, die die Linke nicht an der Regierung sehen wollen. Das genügt, um in Italien 40 Prozent der Stimmen zu erobern", sagt Politologe Gianfranco Pasquino. Migrationswelle, Steuer- und Jobversprechungen, mehr Sicherheit – diese Themen treiben die konservative Wählerschaft wieder scharenweise in Berlusconis Lager.

Die "Fünf Sterne" hingegen, die zweiten Wahl-Favoriten, sind ein Magnet für jene Protestwähler, die Berufspolitiker satt haben. Fünf Sterne-Gründer Beppe Grillo, 69, schickt den früheren Stadion-Platzanweiser und Studien-Abbrecher Luigi Di Maio als Premier-Kandidaten ins Rennen. Grillo hielt sich in diesem Wahlkampf im Hintergrund, und dennoch war er gleichsam omnipräsent.

Persönlich kandidieren wollte Grillo, der nach einem Autounfall 1981 mit drei Toten wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde, ohnehin nie. Laut Umfragen könnten die "Fünf Sterne" als stärkste Einzelpartei mit 28 Prozent der Stimmen das Rennen machen. Sie verwalten einige Städte, und nicht überall ist die Bilanz so schlecht wie in Rom.

Am weit rechten Rand geht Matteo Salvini auf Stimmenfang. Mit Rosenkranz und Bibel in der Hand präsentierte sich der Chef der rechtsextremen Lega – das Wort "Nord" hat Salvini aus dem Parteinamen gestrichen – bei einer Kundgebung in Mailand. "Das nächste Mal komme ich in eure Stadt als Premier zurück" – das ist der Standardsatz bei seinen Wahlauftritten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger versuchte er die Lega über Norditalien hinaus populär zu machen. Der 44-Jährige versucht auch in Süditalien mit Slogans gegen "illegale Einwanderung" und seinem anti-europäischen Kurs zu punkten.

Strache-Freund Da die Lega bis vor kurzem noch für die Abspaltung Norditaliens eintrat und Süditaliener abwertend als "terroni" (Erdfresser) bezeichnet hat, dürfte das Wahlergebnis im Mezzogiorno bescheiden ausfallen. Salvini fährt einen offen rechtsextremen Hardliner-Kurs. Faschistische Gewalttaten tat der Freund von FPÖ-Vizekanzler Strache als "Jugendstreiche" ab.

Der Chefredakteur der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera, Luciano Fontana, sprach mit dem KURIER über:

die Zeit nach der Wahl: Voraussichtlich wird weder die Mitte-rechts-Koalition noch die Mitte-links-Koalition eine ausreichende Mehrheit erreichen. Dadurch droht Instabilität. Ich hoffe auf einen Kompromiss, der zu einer Großen Koalition führt.

Die Rückkehr von Silvio Berlusconi: Die vielen Prozesse und Skandale während seiner Amtszeit haben die konservative Wählerschaft nur zum Teil getroffen. Mit Matteo Salvini und der neuen Lega hätte Berlusconi einen starken internen Rivalen, der eine andere politische Linie verfolgt. Und aufgrund des Ämterverbots kann er das volle Potenzial nicht ausschöpfen. Hinzukommt sein Alter von 81 Jahren und ein fehlender Nachfolger für die Forza Italia. Die moderate Wählerschaft ist aber stärker als man glaubt. Es herrscht Skepsis gegenüber den Linken. Vor diesem Hintergrund schafft es Berlusconi noch immer, den Wählern Träume zu verkaufen.

Chaos und „Fünf Sterne“: Ein Fünf Sterne-Sieg wäre sicher destabilisierend. Hinzukommt, dass die Fünf Sterne eine Einigung mit anderen Parteien bisher ablehnten. Doch sie wissen, dass die Ära des Protestwählers irgendwann endet. Beppe Grillo, der Gründer der Bewegung, zieht sich zunehmend zurück. Ich denke, er möchte wieder lieber als Komiker auftreten.

Den Rechtsextremismus unter Lega-Chef Matteo Salvini: Salvini nutzt skrupellos die Ängste vor Einwanderung, vor Arbeitsplatz-Verlust, vor Kriminalität. Reale Themen, vor denen man nicht die Augen verschließen darf. Aber sie zu missbrauchen und extreme Lösungsrezepte anzubieten, ist riskant.

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