Israel: Väterchen Frost und Santa Claus

Israel: Väterchen Frost und Santa Claus
Außerhalb der Kirchen gehört Weihnachten zum Kommerz wie Halloween oder der Valentinstag.

Weihnachten hat es nicht leicht in Israel. Für Juden und Muslime ist dieses Fest eben ganz normaler Alltag. Wie schon der Geburtstag Jesu vor über 2000 Jahren. Trotzdem hat dieser christliche Feiertag seine Wirkung auf den Alltag in Israel, obwohl er ausnahmsweise unter allen christlichen Festen mal keine jüdischen Wurzeln hat. Gefeiert wird zwar die Geburt eines jüdischen Christkindes, was aber nur wenige interessiert. Juden und Muslime glauben da schon eher an den Weihnachtsmann. Wie führt das aber zu Wiener Ballabenden in einem armenischen Kloster?

Das verstehen auch Rabbiner und Imame nicht. Weihnachtsbaum-Lametta sticht ihnen wie Dornen ins Auge. Der gemeinsame Kampf gegen Heidentum und Kommerz eint daher die wahren Gläubigen aller Religionen. Trotzdem bleiben sie ohne Erfolg.

Als die Russen kamen

Alles begann in den 1990-er Jahren mit der Migration. Wie auch die Weihnachtsgeschichte von Nazareth nach Bethlehem – nebst abgelehntem Asylantrag in Ägypten. Damals kamen die Juden aus der gerade endenden Sowjetunion nach Israel. Sie brachten nicht nur Schweinefleisch in bis dahin schier unvorstellbaren Mengen ins Heilige Land, auch Väterchen Frost wanderte mit ein. Und der ist außerhalb der Ex-UdSSR nun mal als Santa bekannt.

Seitdem nimmt der Kampf gegen die Heidenriten selbst rituelle Züge an. Alle Jahre wieder bezeugen Rabbiner und Imame ihren Widerstand gegen die „öffentliche Zurschaustellung bunter Weihnachtsbäume“. Was ihnen Schlagzeilen in den Medien beschert wie heuer in Akko und Aschdod, wo die Rabbiner protestierten: „Entscheidet euch, ob ihr Juden sein wollt.“ In Beer Scheva war es ein Imam: „Allah hat keinen Geburtstag.“

Tannen bleiben stehen

Doch die Tannen bleiben stehen wie Windmühlen. Von Jahr zu Jahr werden sie sogar mehr und erstrahlen heller. Meist vor Einkaufszentren oder auf Marktplätzen. Daneben meist ein neunarmiger Hanukkah-Leuchter, der an das zeitlich nahe jüdische Lichterfest erinnert und ein paar Halbmond-Laternen – fällt doch auch ein moslemisches Fest (meist) in die letzten Wochen des Jahres. In diesem Jahr ist es sogar Mohammeds Geburtstag.

Bis in die 1980-er Jahre war das bunte Fest außerhalb der wenigen christlichen Viertel in den „gemischten“ Städten wie Haifa, Jaffo oder Jerusalem kaum zu spüren. Nur Liebhaber klassischer Musik, in Israel nicht gerade selten, fühlten sich angezogen. Geistliche Musikwerke sind in Israel schon aus Mangel an Orgeln selten zu hören. Weshalb bis heute oft mehr Juden als Christen in die Metten drängen. Einige Pfarren verteilen sogar Eintrittskarten, um ihren Gläubigen Sitzplätze zu sichern.

Israel: Väterchen Frost und Santa Claus

Die christlichen Geistlichen wissen besser als ihre andersgläubigen Kollegen, dass es den jüdischen Besuchern um Kerzenlicht, Ornate, Chorgesang und Orgelmusik geht. Nicht ums Taufbecken. Der Prior der Dormitionsabtei in Jerusalem sprach es auf der Kanzel an: „Sie sollen heute als Juden wieder nach Hause gehen, aber ich möchte doch davon predigen, was Weihnachten so großartig macht.“

Außerhalb der Kirchen gehört Weihnachten in Israel tatsächlich dem Kommerz. Wie Halloween oder der Valentinstag, die nichts mehr mit Allerheiligen oder dem römischen Märtyrer zu tun haben. Auch hier weiten sich die „Rituale“ aus. Seit einigen Jahren eröffnet auch in Israel der Black Friday den Jahresendspurt des Handels. Cyber-Monday folgte. In den christlichen Vierteln gibt es Weihnachtsmärkte. In jüdischen Ortschaften häufen sich „Lichtermärkte“. Wie der Weihnachtsmarkt mit Kova Santa, nur eben für Hanukkah. Und nicht nur für den Kommerz. Es ist ein Weltgefühl, Ausland ohne stressigen Billigflug. Ein Wir-gehören-dazu. Ein Gefühl, wie es auch in Dubai zu finden ist.

Um den höchsten Tannenbaum gibt es mittlerweile sogar einen Wettbewerb. In diesem Jahr steht er in Fassuta, einem kleinen Dorf hoch im Norden. Der letzte Ort Israels, in dem allein Christen leben und dessen Weihnachtsmarkt zu einer Institution heranwächst.

In Haifa, Jaffo und Jerusalem werden von den Stadtverwaltungen an die vor allem dort lebenden Christen und an Diplomaten Kieferbäumchen verteilt. Was danach übrig bleibt, wird preiswert an die Erstkommenden verkauft. Meist Ex-Sowjetbürger oder Gastarbeiter aus Osteuropa. In Israels Durchschnittshaushalten ist der Tannenbaum nicht zuhause. Die Designerin Liran Elbaz fand aber einen plastischen Kompromiss: Ein Rentier, dessen Geweih ein neunarmiger Leuchter ist.

Israel: Väterchen Frost und Santa Claus

Weihnukka

So finden viele ihren Kompromiss zwischen Weihnachten und Hanukkah. Weihnukka eben. „Um die Geschenke zu Hanukkah müssen wir rote Schleifchen binden“, erklärte am Black Friday eine Frau und Mutter an der Kasse, „wir haben mit unseren Kindern drei Jahre in Los Angeles gelebt. Jetzt wollen sie unbedingt diese Schleifchen.“

Da war doch noch was? Genau, diese Ballabende im armenischen Kloster. Es steht in Jaffo am Hafen. Frisch renoviert mit einem schönen Säulensaal. Wie geschaffen für Ballfeste. Ein findiger Event-Manager hat den Saal entdeckt und gemietet und lädt zu Ballabenden ein. An den Wochenenden zwischen den Weihnachtsfesten (plural: die Ostkirchen feiern am 6., die Armenier am 14. Januar). Mit vorheriger Führung durchs Kloster. Mutmaßlich im Abendkleid. „Wie in Wien.“ Opernball und Kapuzinergruft. Weihnachten eben. Spirituelles mit Walzer und Spirituosen.

Armenische Mönche sind für ihren Weinbrand berühmt. Da ist nicht nur die Donau so blau. Karten? Leider bereits ausverkauft.

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