Auch Meir Jehuda war schockiert, als er aus dem Bunker stieg. „Die ganze 10-stöckige Hauswand war eingerissen“, berichtete der 17-Jährige am Sonntag im Radiosender Kan. Ohne zu zögern suchte Meir mit seinem gleichaltrigen Freund Oren das vom Einsturz bedrohte Haus nach Überlebenden ab. „Eine alte Frau schaffte es dann allein die Treppe runter. Aber das Baby mussten wir tragen. Es war ganz mit Staub bedeckt.“
Fast schon Routine
Für die Israelis sind Raketenangriffe seit Jahren fast schon so etwas wie Routine. Doch wie warnte Premier Benjamin Netanjahu noch am Donnerstag? „Dieser Krieg wird anders.“ Tatsächlich erinnern diese Bilder an die Bombardierung Israels 1991 durch den irakischen Diktator Saddam Hussein. Israels Luftabwehr war damals noch nicht so gut ausgerüstet wie heute.
Seit langem war Israel nicht mehr so hermetisch durch einen Kriegszustand abgeschottet. Am Himmel Irans bewegen sich Israels Piloten ungehindert. Israels Luftraum ist geschlossen. 50.000 Israelis sind nach ihrem Pfingsturlaub im Ausland gestrandet. Bedroht von Terroristen, die in iranischem Auftrag Anschläge planen.
Unterricht per Zoom
Nicht notwendige Arbeitsplätze sind geschlossen. U-Bahn-Haltestellen dienen als Bunker, Krankenhäuser verlegten ihre Patienten in Tiefgaragen, Schulunterricht findet wie in Corona-Zeiten per Zoom statt. Der Unterschied zu früheren Kriegen ist so groß wie der zwischen einem 5- oder 50-Kilo-Sprengkopf und einer Trägerrakete mit 500-Kilo Nutzlast.
Obwohl Israels Regierung fast die gesamte Opposition hinter sich weiß, ist sie nervös. „Für jedes zerstörte Haus in Israel zertrümmern wir 100 Häuser im Iran“ tönte Infrastruktur-Minister Eli Cohen am Sonntag. Er weiß: In Abnutzungskriegen tut sich Israel schwer. 617 Tage Krieg im Gazastreifen machen dies mehr als deutlich. Oppositionspolitiker Avigdor Lieberman forderte sogar die „Ausweitung zum totalen Krieg“. Klingende Worte vor Mikrofonen.
Die Wirklichkeit aber kennt mehr die Zwischentöne. Obwohl iranische Raketen in Wohngebiete Israels einschlagen, richten sich die israelischen Angriffe weitgehend gegen militärische Ziele und Nukleareinrichtungen. Gilt die iranische Zivilbevölkerung doch als potentieller Verbündeter im Kampf gegen das Mullah-Regime.
Und Gaza?
Israels Minister sind auch nervös, weil die öffentliche Meinung hinter dem Angriffsbeschluss steht. Nicht unbedingt aber hinter der Regierung. Wegen des Verbots von Massenansammlungen fanden die Proteste gegen die Regierung am Wochenende online statt. Eine klare Mehrheit fordert weiter ein Kriegsende im Gazastreifen mit der Befreiung aller Geiseln.
Fast alle Befürworter des Angriffs auf den Iran machen aus ihrer Sorge keinen Hehl, dass Netanjahu die Lage ausnutzen könnte, die Einheit im Kriege zu missbrauchen - die politische Spaltung zu vertiefen. „Dabei wäre doch gerade der Krieg mit Iran eine gute Chance den mit der Hamas zu beenden“, meint Noa Katz-Meiri, deren Sohn Lior am 7.Oktober 2023 von der Hamas entführt wurde.
Keiner macht sich Illusionen. Der Krieg mit Iran wird noch Wochen dauern, so erste Einschätzungen, Und es kann noch schlimmer kommen.
Bislang schaut die schiitische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon zu. Sie kommt der iranischen Forderung nicht nach, ebenfalls wieder Raketen auf Israel abzufeuern. Auch wenn der iranische Vorrat an Langstrecken-Raketen nicht unbegrenzt ist, dürfte er noch einige Zeit reichen.
Ehud Barak, Israels Ex-Premier und Ex-Armeechef, warnte am Sonntag vor allzu schönfärberischen Erfolgserwartungen: „Letztlich ist der Weg des Iran in Richtung Atombombe nicht ganz zu stoppen. Es sei denn durch einen Regimewechsel.“
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