Palästina anerkennen? Warum dieser Schritt für Frieden längst nicht reicht

Palästinenser in Gaza vor Essensverteilstelle
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron könnte auf den Domino-Effekt gesetzt haben, als er letzte Woche ankündigte, Palästina als Staat anzuerkennen. Mehrere Staaten folgten ihm bereits. Auch Großbritannien und Kanada kündigten diesen Schritt für September an, der während der UN-Generalvollversammlung in New York gesetzt werden soll. Weit weg von Jerusalem, Ramallah und Gaza.
Schon bisher haben 147 der 193 UN-Mitgliedsstaaten Palästina bereits anerkannt. Was hat es den Palästinensern gebracht? Von Frieden oder Freiheit ist nichts zu sehen.
Könnte eine formelle Anerkennung zumindest den Krieg im Gazastreifen beenden? Seit der Ankündigung hat die Hamas ihre Forderungen für eine Freilassung der israelischen Geiseln in ihren Tunnelkerkern erhöht.

Rechtsgerichtete jüdische Siedler am Rande des Gazastreifen demonstrieren für die israelische Wiederbesiedelung Gazas
Israels Armee hat die Nachschubtransporte für die Zivilbevölkerung zwar erweitert. Premier Benjamin Netanjahu hat seine Bereitschaft für einen baldigen Waffenstillstand geäußert - allerdings nur auf Englisch. Doch auf Hebräisch phantasieren seine extremistischen Minister weiter von Eroberung, Besatzung und neuen Siedlungen im Gazastreifen. Indizien für ein baldiges Kriegsende gibt es nicht.
Gleichzeitig kam es Ende Juli zu einer drei-tägigen UN-Konferenz, die „praktische Schritte in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung im Israel-Palästina-Konflikt“ erörtern sollte - während in Nahost die Beobachter an der Wirklichkeit verzweifeln: Alles, was eine Zwei-Staaten-Lösung vorwärts bringen könnte, rückt nach hinten. Während die Welt die Zwei-Staaten-Lösung weiter als Rettungsseil sieht, hängt sie zwischen Jordan-Fluss und Mittelmeer am seidenen Faden. Von den Problemen einer Ein-Staaten-Lösung ganz zu schweigen.
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die 1994 nach den Oslo-Abkommen ihren Platz als Regierung einnahm, ist zu einem korrupten Herrschaftsapparat verkommen. Seit 2006 finden keine Wahlen mehr statt. Nicht im Westjordanland, wo die PLO unter Präsident Machmud Abbas die Macht hat. Nicht im Gazastreifen, wo 2007 die islamistische Hamas mit Waffengewalt die Macht eroberte. Die säkulare PLO und die islamistische Hamas sind einander spinnefeind. Versuche, einen Ausgleich zu vermitteln, scheitern immer wieder.
Es geht vor allem um die Waffengewalt. Auf die will Hamas unter keinen Umständen verzichten. Sie erkennt das Waffenmonopol der PA nicht an. Soll heißen: Die PA fordert mit Nachdruck die Entwaffnung der Hamas. Ein Staat Palästina sollte von konkurrierenden Parteien regiert werden, nicht von schießenden Milizen. Doch würden jetzt Wahlen stattfinden, räumen Umfragen den Islamisten weit bessere Siegeschancen ein als der PLO.
Darum verschob Abbas neue Wahlen immer wieder, 2021 fanden bisher die letzten statt. Ein Grund findet sich immer. Trotzdem wird ein Regierungswechsel unausweichlich. Abbas wird im November 90 Jahre alt. Seine Gesundheit ist stark angeschlagen. Seine Nachfolge wird auch innerhalb der PLO nur schwer mit friedlichen Wahlen zu regeln sein.
Offizieller Nachfolgekandidat wäre Hussein al-Scheych, der Generalsekretär der PLO, ein Vertreter der alten PLO-Schule. In den Augen der palästinensischen Öffentlichkeit ist sie nur noch ein korrupter Klüngel. Die Herausforderer positionieren sich bereits. Mit dabei der von den Golfstaaten finanzierte Muhammad Dahlan, noch korrupter. Der charismatische Marwan Barguti sitzt im israelischen Gefängnis. Auf lebenslang. Es sei denn, die Hamas setzt ihn auf die Liste bei einem Austausch von Geiseln mit Strafgefangenen.
Macron und auch der britische Premier Keir Starmer bekräftigten daher in ihren Ankündigungen, dass eine Anerkennung Palästinas nur mit einer Entwaffnung der Hamas einhergehen kann. Für die Hamas wiederum ist ein Staat Palästina Seite an Seite mit Israel nicht das Ziel. Das ist erst erreicht, wenn Israel zerstört ist. Auch Jordanien steht auf der Hamas-Zerstörungsliste.
Die UN-Konferenz fand in drei Tagen keine „praktischen Schritte“ in Richtung einer entwaffneten Hamas. Macron und Starmer zeigen keine Bereitschaft, ihre Armeen für eine Hamas-Entwaffnung zu mobilisieren.
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