IS-Zellen in Libyen als Gefahr für Europa

Zweite Machtbasis: In Syrien und Irak durch Luftangriffe gebremst, setzen Extremisten auf Nordafrika.

"Das ist erst der Anfang. Ihr werdet für jedes Haar unseres Helden zahlen." Von martialischen Worten begleitet startete Jordaniens Armee eine Offensive gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien. Dutzende Kampfjets bombardierten Ziele nahe der sogenannten Hauptstadt der Dschihadisten, Al-Rakka.

Die Luftangriffe sind die Vergeltung für die Tötung des jordanischen Piloten al-Kasaesbeh, der von IS-Kämpfern bei lebendigem Leibe verbrannt worden war. Als erste Reaktion auf den Mord, den der IS am Dienstag ins Internet gestellt hatte, hatte Jordanien am Mittwoch zwei Dschihadisten hingerichtet.

IS-Zellen in Libyen als Gefahr für Europa
Bombs are pictured on a Royal Jordanian Air Force plane at an air base before it's launch to strike the Islamic state in the Syrian city of Raqqa February 5, 2015. Jordanian fighter jets pounded Islamic State hideouts in Syria on Thursday and then roared over the hometown of a pilot killed by the militants, while below them King Abdullah consoled the victim's family. The show of force came two days after the ultra-hardline Islamic State released a video showing captured Jordanian pilot Mouath al-Kasaesbeh being burned alive in a cage as masked militants in camouflage uniforms looked on. The writing on the bomb reads "Martyr No.2475", referring to al-Kasaesbeh. REUTERS/Petra News Agency (JORDAN - Tags: POLITICS CONFLICT)
Seit Monaten bombardiert eine internationale Allianz unter US-Führung IS-Stellungen. Das hat die Extremisten so weit unter Druck gesetzt, dass eine Expansion ihres "Kalifats" in der Region kaum möglich ist. Eine Möglichkeit, dennoch weiter an Einfluss zu gewinnen, stellt Libyen dar. In dem nordafrikanischen Krisenstaat betreibt der IS Ausbildungslager und trat bereits mehrmals mit Angriffen in Erscheinung, etwa auf ein Hotel in der Hauptstadt Tripolis Ende Jänner.

Libyen ist nach dem Sturz von Diktator al-Gaddafi 2011 im Chaos versunken, zwei Parlamente, zwei Regierungen und zahlreiche Milizen kämpfen um die Macht.

"Franchise"

Im Frühjahr 2014 begann der "Islamische Staat" in Libyen Fuß zu fassen. "Einige Hundert Syrien-Kämpfer kehrten seither in den Raum um die Hafenstadt Derna zurück", erläutert der international anerkannte Libyen-Experte Wolfgang Pusztai gegenüber dem KURIER. Die kampferprobten Extremisten bauen IS-Zellen mit lokalen Anhängern der IS-Ideologie auf. "Der IS ist wie die El Kaida ein Franchise-Unternehmen", so Pusztai, der von 2007 bis 2012 Österreichs Verteidi- gungsattaché in Libyen war. "Jeder, der den Treueschwur leistet, kann sich IS nennen."

Libyen sei ideal für den IS, da es keinen starken Staat und keine Exekutive gebe und " gewisse Teile der Bevölkerung wegen der tristen Lage für die Ideologie empfänglich sind". Das stelle auch für Ägypten, Algerien und Tunesien, wo der IS auch immer mehr Anhänger findet, eine Gefahr dar – und für Europa. "Viele Libyer und Tunesier leben bereits hier und einzelne mit entsprechenden Verbindungen könnten Angriffe starten", gibt Pusztai zu bedenken, betont aber, dass die meisten Menschen aus diesem Raum die IS-Ideologie strikt ablehnen.

Für Extremisten sei es ein Leichtes, so der Experte, als illegale Einwanderer über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Man sehe einem Menschen nicht an, ob er IS-Kämpfer oder Flüchtling sei.

Wie kann man dem Problem begegnen? "Die Schaffung eines demokratischen, stabilen Libyens ist derzeit unrealistisch." Es gelte, als Zwischenschritt die Einrichtung eines Islamischen Staates in Libyen zu verhindern. Eine Möglichkeit wäre, durch gezielte Angriffe und Grenzkontrollen den IS einzudämmen – was zwar den USA genügen würde, Europa als nahem Terrorziel aber nicht. Die zweite Möglichkeit und für Pusztai die "einzige Option": Das gewählte Parlament und den international anerkannten Premier mit Waffen und Know-How zu unterstützen sowie dem schlagkräftigen Ägypten freie Hand zu geben. Eine Militärintervention durch den Westen oder arabische Staaten sei die letzte und – vorerst – schlechteste Alternative.

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