IS-Zellen in Libyen als Gefahr für Europa
"Das ist erst der Anfang. Ihr werdet für jedes Haar unseres Helden zahlen." Von martialischen Worten begleitet startete Jordaniens Armee eine Offensive gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien. Dutzende Kampfjets bombardierten Ziele nahe der sogenannten Hauptstadt der Dschihadisten, Al-Rakka.
Die Luftangriffe sind die Vergeltung für die Tötung des jordanischen Piloten al-Kasaesbeh, der von IS-Kämpfern bei lebendigem Leibe verbrannt worden war. Als erste Reaktion auf den Mord, den der IS am Dienstag ins Internet gestellt hatte, hatte Jordanien am Mittwoch zwei Dschihadisten hingerichtet.
Libyen ist nach dem Sturz von Diktator al-Gaddafi 2011 im Chaos versunken, zwei Parlamente, zwei Regierungen und zahlreiche Milizen kämpfen um die Macht.
"Franchise"
Im Frühjahr 2014 begann der "Islamische Staat" in Libyen Fuß zu fassen. "Einige Hundert Syrien-Kämpfer kehrten seither in den Raum um die Hafenstadt Derna zurück", erläutert der international anerkannte Libyen-Experte Wolfgang Pusztai gegenüber dem KURIER. Die kampferprobten Extremisten bauen IS-Zellen mit lokalen Anhängern der IS-Ideologie auf. "Der IS ist wie die El Kaida ein Franchise-Unternehmen", so Pusztai, der von 2007 bis 2012 Österreichs Verteidi- gungsattaché in Libyen war. "Jeder, der den Treueschwur leistet, kann sich IS nennen."
Libyen sei ideal für den IS, da es keinen starken Staat und keine Exekutive gebe und " gewisse Teile der Bevölkerung wegen der tristen Lage für die Ideologie empfänglich sind". Das stelle auch für Ägypten, Algerien und Tunesien, wo der IS auch immer mehr Anhänger findet, eine Gefahr dar – und für Europa. "Viele Libyer und Tunesier leben bereits hier und einzelne mit entsprechenden Verbindungen könnten Angriffe starten", gibt Pusztai zu bedenken, betont aber, dass die meisten Menschen aus diesem Raum die IS-Ideologie strikt ablehnen.
Für Extremisten sei es ein Leichtes, so der Experte, als illegale Einwanderer über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Man sehe einem Menschen nicht an, ob er IS-Kämpfer oder Flüchtling sei.
Wie kann man dem Problem begegnen? "Die Schaffung eines demokratischen, stabilen Libyens ist derzeit unrealistisch." Es gelte, als Zwischenschritt die Einrichtung eines Islamischen Staates in Libyen zu verhindern. Eine Möglichkeit wäre, durch gezielte Angriffe und Grenzkontrollen den IS einzudämmen – was zwar den USA genügen würde, Europa als nahem Terrorziel aber nicht. Die zweite Möglichkeit und für Pusztai die "einzige Option": Das gewählte Parlament und den international anerkannten Premier mit Waffen und Know-How zu unterstützen sowie dem schlagkräftigen Ägypten freie Hand zu geben. Eine Militärintervention durch den Westen oder arabische Staaten sei die letzte und – vorerst – schlechteste Alternative.
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