Fünf Dinge, die man über die US-Sanktionen gegen den Iran wissen sollte

Rouhani sprach im iranischen TV
Die erste US-Sanktionswelle wird wirksam. Rouhani lehnt Trumps Angebot über einen neuen Deal zu sprechen nicht ab, aber misstraut ihm.

Vom französischen Energieriesen Total über den Automobilkonzern Peugeot-Citroen PSA bis zum deutschen Sportartikelhersteller Adidas: Viele europäische Unternehmen haben ihren Rückzug aus dem Iran eingeleitet, um Strafzahlungen in den USA zu vermeiden. Ab heute, Dienstag, wird die erste Serie von US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder wirksam. In einem zweiten Schritt will Washington Teheran zwingen, ab 4. November die Ölexporte auf Null zurückzufahren.  

Irans Präsident Hassan Rohani verurteilte das Vorgehen scharf: "Sie wollen einen psychologischen Krieg gegen die iranische Nation führen und das Volk spalten", sagte er Montagabend im iranischen TV. Die Kombination aus neuen US-Sanktionen und gleichzeitigem Verhandlungsangebot von US-Präsident Donald Trump nannte Rouhani "unsinnig". Trotz der Strafmaßnahmen will der Iran jedoch weiter an dem Wiener Atomabkommen von 2015 festhalten. "Wir werden trotz der Sanktionen der Welt zeigen, das wir unser Wort halten und uns an internationale Verträge halten", sagte der Präsident am Montagabend in einem Interview des staatlichen Fernsehsenders IRIB.

Das Gesprächsangebot Trumps zu einem neuen Vertrag lehne er auch nicht explizit ab, aber Verhandlungen sollten ergebnisorientiert und auf der Basis von Aufrichtigkeit geführt werden. Der US-Präsident habe mit dem Ausstieg aus diversen internationalen Verträgen bewiesen, dass dies bei ihm nicht der Fall sei. Sollte sich das ändern, wäre der Iran wieder bereit, Gespräche aufzunehmen.

Der Iran sei mit den politischen Reaktionen der Europäer sowie Russlands und Chinas absolut zufrieden, sagte Rouhani. Im praktischen Bereich gebe es aber Probleme mit den Firmen, die aus diversen Gründen ihre Aktivitäten im Iran wegen der Sanktionen begrenzen wollten. Der Iran werde weiterhin mit seinen Partnern intensiv nach Lösungen suchen, so der Präsident.

Vor drei Monaten sind die USA aus dem Iran-Atomabkommen ausgetreten. Die Folgen werden nun spürbar – wen trifft es?

Zunächst zielen die USA darauf ab, dass der Iran keine US-Dollar mehr erwerben und nicht mehr mit Gold, Edelmetallen, bestimmten Rohstoffen und Industriesoftware handeln kann. Doch der wirklich harte Schlag droht in 90 Tagen. Washington möchte den internationalen Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmlegen. „Das ist jetzt ein Wirtschaftskrieg“, sagt Mahdi Ghodsi, Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, zum KURIER.

Können die USA auch die wirtschaftliche Hauptschlagader des Iran, den Ölexport, abschnüren?

Unwahrscheinlich. China hat bereits zugesagt, seine unverzichtbaren Ölimporte aus dem Iran aufrecht zu erhalten. Zudem würden nach Expertenmeinung die Ölpreise explodieren, weil die anderen erdölexportierenden Länder nicht in der Lage wären, den Ausfall des Iran auszugleichen.

Fünf Dinge, die man über die US-Sanktionen gegen den Iran wissen sollte

Irans Präsident Rohani unter massivem Druck: Zunehmende  Proteste und nun auch noch US-Sanktionen.

Welche Folgen haben die Sanktionen im Iran?

Das vor drei Jahren abgeschlossene Atom-Abkommen war ein großer Punktesieg für Irans reform-orientierten Präsidenten Rohani im Machtkampf mit den Konservativen. Mit dem Deal war die Hoffnung auf eine Verbesserung der schwierigen Wirtschaftslage und auf eine Öffnung des Landes verbunden. Doch allein schon die Ankündigung neuerlicher US-Sanktionen führte zu einem Einbruch der Wirtschaft: Inflation, steigende Arbeitslosigkeit, Verfall der Währung. Die Folge waren Proteste, die sich zunächst an den Alltagswidrigkeiten entzündeten, die sich aber immer mehr auch gegen die politische Elite richten, der Misswirtschaft und Korruption vorgeworfen wird. Befürchtet wird, dass die Unruhen dem ultrakonservativen Wächterrat als Vorwand dazu dienen könnten, durchzugreifen und letztlich sogar Rohani abzusetzen.

Was streben die USA an?

US-Präsident Trump will eine Neuverhandlung des Atomabkommens. Das haben bisher alle anderen Vertragspartner des Deals, also auch die Europäer, ebenso ausgeschlossen wie der Iran. Die Forderungen der USA gehen zudem über den Nuklearbereich weit hinaus: Der US-Regierung ist vor allem Teherans Politik in Syrien, im Irak, im Jemen und im Libanon ein Dorn im Auge. Wortmeldungen aus den USA lassen auch eine gewisse Genugtuung über die Protestwelle im Iran erkennen. Weil der Iran angesichts des US-Drucks mit dem Rücken zur Wand steht, kommen erstmals Stimmen auf, sich vielleicht doch auf Gespräche mit Washington einzulassen.

Und was will Europa?

Vor allem den mühsam errungenen Atomdeal zu erhalten, der den Iran dazu verpflichtet, keine Atomwaffen zu bauen. Dafür aber müsste die EU ihre Verpflichtungen einhalten und mit dem Iran umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen eingehen. Dies aber machen die US-Sanktionen nun unmöglich. Denn europäische Konzerne, die auch in den USA tätig sind, müssen bei ihren Geschäften dort mit Milliardenstrafen rechnen. Gegenmaßnahmen der EU zum Schutz europäischer Unternehmen erweisen sich dagegen als weitgehend wirkungslos. Private Konzerne können nicht gezwungen werden, im Iran zu bleiben – zumal es keine EU-Institution und keine europäische Regierung gibt, die ihre drohenden Verluste in den USA ausgleichen würden.

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